Schluss mit den unsozialen Kopfprämien bei der Krankenversicherung

ShortId
23.3920
Id
20233920
Updated
19.09.2023 12:32
Language
de
Title
Schluss mit den unsozialen Kopfprämien bei der Krankenversicherung
AdditionalIndexing
2841;44;2836;28
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Die Krankenversicherungsprämien sind für einen grossen Teil der Bevölkerung nicht mehr tragbar. Die ursprüngliche Idee, mit den Prämienverbilligungen die Haushalte zu entlasten, funktioniert nur ungenügend. Bei Einführung der Prämienverbilligung versprachen Bundesrat und Parlament zur Ermittlung der sozialpolitischen Wirksamkeit der Prämienverbilligung, das Ziel der Prämienbelastung eines Haushaltes bei maximal 8 Prozent des steuerbaren Einkommens auszumachen. Die vom Bundesrat angestrebten 8 Prozent des steuerbaren Einkommens entsprechen in etwa 6 Prozent des verfügbaren Einkommens. Neben der Nicht-Erreichung des Ziels der Solidarität und der genügenden Entlastung der Haushalte kommt hinzu, dass der administrative Aufwand enorm ist.</p><p>Gerade wenn es um die Kostenentwicklung geht, ist der Unterschied zwischen Prämien und Kosten entscheidend. Während die OKP-Prämien bei der Einführung des Krankenversicherungsgesetzes noch 29,9 Prozent der Gesundheitskosten finanzierten, sind es heute 37,9 Prozent. Die Prämien steigen folglich auch, weil wir immer mehr über Prämien finanzieren. Würden wir immer noch wie im Jahr 1996 lediglich 29,9 Prozent des Gesundheitswesens über die Prämien finanzieren, wären die Prämien heute um 21 Prozent niedriger.</p><p>Eine Gleichsetzung von Prämien und Kosten blendet Fragen nach der Finanzierung aus. Die bevorstehenden Prämienerhöhungen im Herbst 2023 werden denn auch besonders den einkommensschwachen Haushalten schaden, denn diese würden unter einer weiter zunehmenden Finanzierung über Kopfprämien besonders leiden. </p><p>Ein reiches Land wie die Schweiz kann sich Gesundheitskosten in der Höhe von 11 Prozent des Bruttoinlandsprodukts als Solidargemeinschaft leisten, sofern sie wirklich für die Gesundheit unserer Bevölkerung eingesetzt werden. Die Mittel müssen sinnvoll eingesetzt und die Lasten fair über die Bevölkerung verteilt werden: Es braucht deshalb eine stärkere Finanzierung über die öffentliche Hand und die allgemeinen Steuern sowie ein Systemwechsel mit der Abschaffung der Kopfprämien.</p>
  • <p>Das Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG;&nbsp;SR&nbsp;832.10) sieht vor, dass der Versicherer von seinen Versicherten die gleichen Prämien erhebt. Der Versicherer stuft die Prämien gemäss den kantonalen Kostenunterschieden ab (Art.&nbsp;61 Abs.&nbsp;1 und 2 KVG). Als sozialpolitisches Korrektiv zu dieser Kopfprämie wurde die individuelle Prämienverbilligung (IPV) eingeführt. Demnach gewähren die Kantone den Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen Prämienverbilligungen (Art.&nbsp;65 Abs.&nbsp;1 KVG).&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Wie der Bundesrat auf die Interpellation 22.3647 de la Reussille «Prämienanstieg. Es braucht einen Systemwechsel» geantwortet hat, berücksichtigt das aktuelle System das Einkommen bei den Prämienverbilligungen. Diese werden durch Bundes- und Kantonsbeiträge finanziert, die wiederum zu einem grossen Teil aus Steuern finanziert werden. Darüber hinaus werden auch die Kosten für stationäre Spitalbehandlungen zu einem Teil durch die Kantone gedeckt.&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Bereits mehrere Vorstösse und Initiativen schlugen vor, einkommensabhängige Prämien einzuführen (vgl. bspw. 96.470 pa. Iv. Spielmann; 02.305 Kt. Iv. Jura; 07.465 pa. Iv. SP-Fraktion und 11.4094 Mo. Chopard-Acklin). Diese wurden vom Parlament abgelehnt. Die Volksinitiative «für eine soziale Einheitskrankenkasse» (05.089), welche einkommensabhängige Prämien verlangte, wurde im März 2007 vom Volk abgelehnt.&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Nach wie vor vertritt der Bundesrat eine Finanzierungsstrategie mit zwei Komponenten:</p><ul><li>EineSolidarität zwischen den Geschlechtern, Jung und Alt sowie Gesund und Krank und&nbsp;</li><li>eine sozialpolitische Komponente mit dem Korrektiv der Prämienverbilligung.&nbsp;</li></ul><p>Die Kostenentwicklung in der Krankenversicherung wird somit nicht durch Umverteilungsmassnahmen überlagert.</p><p>&nbsp;</p><p>Nach dem Wortlaut der Motion soll an Prämien, d.h. an Beiträgen, die von versicherten Personen zu bezahlen sind, festgehalten werden. Wenn einkommens- und vermögensabhängige Prämien festgelegt würden, ist davon auszugehen, dass eine Abstufung der Prämien nach Kantonen und Regionen, wie dies nach geltendem Recht (vgl. Art.&nbsp;61 Abs.&nbsp;2 und&nbsp;2bis KVG) möglich ist, zu administrativem Mehraufwand führen würde.</p><p>&nbsp;</p><p>Der Bundesrat möchte die IPV besser fördern. Deshalb schlägt er im Rahmen des Gegenvorschlags zur Prämien-Entlastungs-Initiative der Sozialdemokratischen Partei (21.063) vor, dass jeder Kanton einen Mindestbeitrag zur Prämienverbilligung leistet. Dieser Gegenvorschlag wird aktuell vom Parlament beraten. Damit soll die Prämienlast für die wirtschaftlich schwächeren Bevölkerungskreise tragbar bleiben.&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Der Bundesrat bestätigt aus diesen Gründen seine Antwort auf das Postulat 23.3089 Fridez «Wie steht es um die langfristige Finanzierung der Gesundheitskosten?»: er erachtet einen grundlegenden Systemwechsel zu einkommens- und vermögensabhängigen Prämien auch heute als nicht angezeigt.</p>
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, eine Vorlage bezüglich Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung auszuarbeiten und dem Parlament zu unterbreiten, welche einkommens- und vermögensabhängige Krankenkassenprämien vorsieht.</p>
  • Schluss mit den unsozialen Kopfprämien bei der Krankenversicherung
State
Stellungnahme zum Vorstoss liegt vor
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Die Krankenversicherungsprämien sind für einen grossen Teil der Bevölkerung nicht mehr tragbar. Die ursprüngliche Idee, mit den Prämienverbilligungen die Haushalte zu entlasten, funktioniert nur ungenügend. Bei Einführung der Prämienverbilligung versprachen Bundesrat und Parlament zur Ermittlung der sozialpolitischen Wirksamkeit der Prämienverbilligung, das Ziel der Prämienbelastung eines Haushaltes bei maximal 8 Prozent des steuerbaren Einkommens auszumachen. Die vom Bundesrat angestrebten 8 Prozent des steuerbaren Einkommens entsprechen in etwa 6 Prozent des verfügbaren Einkommens. Neben der Nicht-Erreichung des Ziels der Solidarität und der genügenden Entlastung der Haushalte kommt hinzu, dass der administrative Aufwand enorm ist.</p><p>Gerade wenn es um die Kostenentwicklung geht, ist der Unterschied zwischen Prämien und Kosten entscheidend. Während die OKP-Prämien bei der Einführung des Krankenversicherungsgesetzes noch 29,9 Prozent der Gesundheitskosten finanzierten, sind es heute 37,9 Prozent. Die Prämien steigen folglich auch, weil wir immer mehr über Prämien finanzieren. Würden wir immer noch wie im Jahr 1996 lediglich 29,9 Prozent des Gesundheitswesens über die Prämien finanzieren, wären die Prämien heute um 21 Prozent niedriger.</p><p>Eine Gleichsetzung von Prämien und Kosten blendet Fragen nach der Finanzierung aus. Die bevorstehenden Prämienerhöhungen im Herbst 2023 werden denn auch besonders den einkommensschwachen Haushalten schaden, denn diese würden unter einer weiter zunehmenden Finanzierung über Kopfprämien besonders leiden. </p><p>Ein reiches Land wie die Schweiz kann sich Gesundheitskosten in der Höhe von 11 Prozent des Bruttoinlandsprodukts als Solidargemeinschaft leisten, sofern sie wirklich für die Gesundheit unserer Bevölkerung eingesetzt werden. Die Mittel müssen sinnvoll eingesetzt und die Lasten fair über die Bevölkerung verteilt werden: Es braucht deshalb eine stärkere Finanzierung über die öffentliche Hand und die allgemeinen Steuern sowie ein Systemwechsel mit der Abschaffung der Kopfprämien.</p>
    • <p>Das Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG;&nbsp;SR&nbsp;832.10) sieht vor, dass der Versicherer von seinen Versicherten die gleichen Prämien erhebt. Der Versicherer stuft die Prämien gemäss den kantonalen Kostenunterschieden ab (Art.&nbsp;61 Abs.&nbsp;1 und 2 KVG). Als sozialpolitisches Korrektiv zu dieser Kopfprämie wurde die individuelle Prämienverbilligung (IPV) eingeführt. Demnach gewähren die Kantone den Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen Prämienverbilligungen (Art.&nbsp;65 Abs.&nbsp;1 KVG).&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Wie der Bundesrat auf die Interpellation 22.3647 de la Reussille «Prämienanstieg. Es braucht einen Systemwechsel» geantwortet hat, berücksichtigt das aktuelle System das Einkommen bei den Prämienverbilligungen. Diese werden durch Bundes- und Kantonsbeiträge finanziert, die wiederum zu einem grossen Teil aus Steuern finanziert werden. Darüber hinaus werden auch die Kosten für stationäre Spitalbehandlungen zu einem Teil durch die Kantone gedeckt.&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Bereits mehrere Vorstösse und Initiativen schlugen vor, einkommensabhängige Prämien einzuführen (vgl. bspw. 96.470 pa. Iv. Spielmann; 02.305 Kt. Iv. Jura; 07.465 pa. Iv. SP-Fraktion und 11.4094 Mo. Chopard-Acklin). Diese wurden vom Parlament abgelehnt. Die Volksinitiative «für eine soziale Einheitskrankenkasse» (05.089), welche einkommensabhängige Prämien verlangte, wurde im März 2007 vom Volk abgelehnt.&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Nach wie vor vertritt der Bundesrat eine Finanzierungsstrategie mit zwei Komponenten:</p><ul><li>EineSolidarität zwischen den Geschlechtern, Jung und Alt sowie Gesund und Krank und&nbsp;</li><li>eine sozialpolitische Komponente mit dem Korrektiv der Prämienverbilligung.&nbsp;</li></ul><p>Die Kostenentwicklung in der Krankenversicherung wird somit nicht durch Umverteilungsmassnahmen überlagert.</p><p>&nbsp;</p><p>Nach dem Wortlaut der Motion soll an Prämien, d.h. an Beiträgen, die von versicherten Personen zu bezahlen sind, festgehalten werden. Wenn einkommens- und vermögensabhängige Prämien festgelegt würden, ist davon auszugehen, dass eine Abstufung der Prämien nach Kantonen und Regionen, wie dies nach geltendem Recht (vgl. Art.&nbsp;61 Abs.&nbsp;2 und&nbsp;2bis KVG) möglich ist, zu administrativem Mehraufwand führen würde.</p><p>&nbsp;</p><p>Der Bundesrat möchte die IPV besser fördern. Deshalb schlägt er im Rahmen des Gegenvorschlags zur Prämien-Entlastungs-Initiative der Sozialdemokratischen Partei (21.063) vor, dass jeder Kanton einen Mindestbeitrag zur Prämienverbilligung leistet. Dieser Gegenvorschlag wird aktuell vom Parlament beraten. Damit soll die Prämienlast für die wirtschaftlich schwächeren Bevölkerungskreise tragbar bleiben.&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Der Bundesrat bestätigt aus diesen Gründen seine Antwort auf das Postulat 23.3089 Fridez «Wie steht es um die langfristige Finanzierung der Gesundheitskosten?»: er erachtet einen grundlegenden Systemwechsel zu einkommens- und vermögensabhängigen Prämien auch heute als nicht angezeigt.</p>
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, eine Vorlage bezüglich Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung auszuarbeiten und dem Parlament zu unterbreiten, welche einkommens- und vermögensabhängige Krankenkassenprämien vorsieht.</p>
    • Schluss mit den unsozialen Kopfprämien bei der Krankenversicherung

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