Paradigmenwechsel in der Asylpolitik. Unterbinden von Migrationsrouten, Bekämpfung von Schlepperwesen und Kriminalität

ShortId
23.3950
Id
20233950
Updated
26.03.2024 21:52
Language
de
Title
Paradigmenwechsel in der Asylpolitik. Unterbinden von Migrationsrouten, Bekämpfung von Schlepperwesen und Kriminalität
AdditionalIndexing
2811;08;10
1
PriorityCouncil1
Ständerat
Texts
  • <p>Die weltweiten Wanderbewegungen haben massiv zugenommen: Gemäss UNHCR zählen wir heute über 100 Mio. Menschen, die migrieren. Diese Zahl hat sich seit 2012 mehr als verdoppelt. Nach 24 511 Asylgesuchen im Jahr 2022 - eine Zunahme von über 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr - rechnet man für 2023 mit bis zu 40 000 neuen Gesuchen. Hinzu kommen immer mehr Personen, die illegal in die Schweiz einreisen: Die Grenzwächter haben 2022 über 52 000 Personen aufgegriffen, die sich illegal in der Schweiz befanden. Dies bedeutet: Alle 10 Minuten wurde in der Schweiz eine illegal anwesende Person aufgegriffen. Die Situation verschlimmert sich von Jahr zu Jahr - nicht zuletzt aufgrund erheblicher Defizite beim Schutz der Schengen-Aussengrenze. Gleichzeitig reift die Erkenntnis, dass die bisherigen Massnahmen kaum etwas gebracht haben: Verfahrensrechtliche Korrekturen oder die Änderung einzelner Gesetzesartikel bringen nichts. Unsere Asylgesetzgebung ist veraltet und nicht darauf ausgerichtet, den Herausforderungen einer globalisierten Welt begegnen zu können. Es muss ein Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik stattfinden. Dass ein Paradigmenwechsel in der Asylpolitik erfolgen muss, sehen auch diverse europäische Länder. Nachdem sich u.a. Grossbritannien, Dänemark und Schweden um eine entsprechende Kursänderung bemühen, haben sich zu Neujahr auch die österreichischen Sozialdemokraten geäussert. In ihrem Aktionsprogramm 2023 fordern sie "UNHCR-konforme Verfahrenszentren ausserhalb der Europäischen Union". Dies sei "die einzige vernünftige Lösung, um Leid zu verhindern, kriminellen Schleppern das Handwerk zu legen und die Kontrolle darüber zu erlangen, wer europäischen Boden betritt und wer nicht". Der Vorschlag der SPÖ wurde mittlerweile auf EU-Ebene aufgenommen. Unter den EU-Staaten sind Gespräche für eine grundlegende Neuausrichtung der europäischen Asyl- und Migrationspolitik im Gange. </p><p>Es ist überfällig, dass auch die Schweiz nicht nur die asylrechtlichen Abläufe zukunftstauglich gestaltet, sondern die Migrationspolitik darauf ausrichtet, dass weniger Personen in die Schweiz kommen und wir so auch künftig in der Lage bleiben, betroffenen und bedürftigen Menschen besser helfen zu können. Eine zielführende Asylpolitik erfordert nicht nur die notwendigen Ressourcen, sondern vor allem auch die genaue Kontrolle darüber, dass diese Ressourcen den wirklich Bedürftigen zugutekommen. </p>
  • <p>Der Bundesrat hatte bereits Gelegenheit, sich mehrfach zur Schaffung von Asylzentren ausserhalb Europas zu äussern, insbesondere in seinem im Mai 2017 veröffentlichten Bericht "Neukonzeption von Schengen/Dublin, europäische Koordination und burden sharing" in Erfüllung des Postulats 15.3242 Pfister. Anschliessend beantwortete er folgende Vorstösse: Interpellation 21.3387 Hess "Dänemarks Vision 'Null Asylsuchende'. Auch für die Schweiz? ", Motion 21.3785 Quadri "Die Schweiz soll dem Beispiel Dänemarks folgen und Zentren für Asylsuchende ausserhalb von Europa schaffen", Motion 21.3992 Fraktion der Schweizerischen Volkspartei "Gewährleistung des Schutzes von Asylbewerbern in einem sicheren Drittstaat" und Interpellation 22.3730 Quadri «Grossbritannien startet mit dem Ausfliegen von Asylsuchenden nach Ruanda. Und die Schweiz?».&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Der Bundesrat erachtet, dass eine Auslagerung der Asylverfahren in Drittstaaten komplexe rechtliche Fragen aufwirft und mit grossen Herausforderungen auf politischer und operativer Ebene verbunden wäre. Das Recht, ein Asylgesuch zu stellen, sowie die Einhaltung des Non-Refoulement-Prinzips sind zentrale Elemente der Schweizer Asylpolitik und werden sowohl vom Völkerrecht als auch vom nationalen Recht garantiert.</p><p>&nbsp;</p><p>Es trifft zu, dass in einzelnen europäischen Staaten entsprechende Bemühungen in die Wege geleitet wurden. Sie sind aber gescheitert. Das dänische Konzept wurde bis heute nicht umgesetzt und die dänische Regierung hat die entsprechenden Pläne vor einigen Monaten offiziell auf Eis gelegt.&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Auch das Vereinigte Königreich, das eine Anfangsinvestition von rund 120 Millionen Pfund im Rahmen eines neuen Fonds zur Unterstützung der Entwicklung Ruandas zur Verfügung gestellt hat, hat bis zum heutigen Zeitpunkt keine Asylsuchenden nach Ruanda überstellt. So wurde der erste Rückführungsflug vom Vereinigten Königreich nach Ruanda, der am 14. Juni 2022 geplant war, abgesagt. Grund dafür waren Einzelfallentscheidungen britischer Gerichte sowie eine am gleichen Tag erfolgte einstweilige Massnahme des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Damit hat der EGMR namentlich den Bedenken des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge Rechnung getragen, wonach die nach Ruanda überstellten Asylsuchenden keinen Zugang zu einem fairen und effizienten Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft hätten. Diese Bedenken wurden kürzlich vom Englischen Berufungsgericht (Court of Appeal) bestätigt. Demnach kann Ruanda nicht als sicheres Drittland betrachtet werden und der Auslagerungsplan der britischen Regierung wurde für rechtswidrig befunden.&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Die Haltung des Bundesrats entspricht im Übrigen auch den jüngsten Beschlüssen der EU zur Reform des europäischen Asyl- und Migrationspakets: Dieses Paket zielt insbesondere auf die Beschleunigung der Asylverfahren, die Bearbeitung unbegründeter Asylanträge an der Aussengrenze des Schengen-Raums und die Verringerung der sekundären Migration innerhalb des Dublin-Raums ab, doch sieht dieses keine Auslagerung der Asylverfahren in Drittstaaten vor, zu denen die Gesuchsteller keinen (persönlichen) Bezug haben.&nbsp;</p>
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, konkrete Abklärungen zu treffen und dem Parlament ein Konzept vorzulegen, wie Asylverfahren künftig im Ausland durchgeführt sowie, allenfalls auch in Zusammenarbeit mit anderen Staaten, Hilfs- und Schutzzentren im Ausland errichtet werden können. So sollen Menschenhandel und Schlepperwesen bekämpft und bessere Hilfe vor Ort angeboten werden.</p>
  • Paradigmenwechsel in der Asylpolitik. Unterbinden von Migrationsrouten, Bekämpfung von Schlepperwesen und Kriminalität
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Die weltweiten Wanderbewegungen haben massiv zugenommen: Gemäss UNHCR zählen wir heute über 100 Mio. Menschen, die migrieren. Diese Zahl hat sich seit 2012 mehr als verdoppelt. Nach 24 511 Asylgesuchen im Jahr 2022 - eine Zunahme von über 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr - rechnet man für 2023 mit bis zu 40 000 neuen Gesuchen. Hinzu kommen immer mehr Personen, die illegal in die Schweiz einreisen: Die Grenzwächter haben 2022 über 52 000 Personen aufgegriffen, die sich illegal in der Schweiz befanden. Dies bedeutet: Alle 10 Minuten wurde in der Schweiz eine illegal anwesende Person aufgegriffen. Die Situation verschlimmert sich von Jahr zu Jahr - nicht zuletzt aufgrund erheblicher Defizite beim Schutz der Schengen-Aussengrenze. Gleichzeitig reift die Erkenntnis, dass die bisherigen Massnahmen kaum etwas gebracht haben: Verfahrensrechtliche Korrekturen oder die Änderung einzelner Gesetzesartikel bringen nichts. Unsere Asylgesetzgebung ist veraltet und nicht darauf ausgerichtet, den Herausforderungen einer globalisierten Welt begegnen zu können. Es muss ein Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik stattfinden. Dass ein Paradigmenwechsel in der Asylpolitik erfolgen muss, sehen auch diverse europäische Länder. Nachdem sich u.a. Grossbritannien, Dänemark und Schweden um eine entsprechende Kursänderung bemühen, haben sich zu Neujahr auch die österreichischen Sozialdemokraten geäussert. In ihrem Aktionsprogramm 2023 fordern sie "UNHCR-konforme Verfahrenszentren ausserhalb der Europäischen Union". Dies sei "die einzige vernünftige Lösung, um Leid zu verhindern, kriminellen Schleppern das Handwerk zu legen und die Kontrolle darüber zu erlangen, wer europäischen Boden betritt und wer nicht". Der Vorschlag der SPÖ wurde mittlerweile auf EU-Ebene aufgenommen. Unter den EU-Staaten sind Gespräche für eine grundlegende Neuausrichtung der europäischen Asyl- und Migrationspolitik im Gange. </p><p>Es ist überfällig, dass auch die Schweiz nicht nur die asylrechtlichen Abläufe zukunftstauglich gestaltet, sondern die Migrationspolitik darauf ausrichtet, dass weniger Personen in die Schweiz kommen und wir so auch künftig in der Lage bleiben, betroffenen und bedürftigen Menschen besser helfen zu können. Eine zielführende Asylpolitik erfordert nicht nur die notwendigen Ressourcen, sondern vor allem auch die genaue Kontrolle darüber, dass diese Ressourcen den wirklich Bedürftigen zugutekommen. </p>
    • <p>Der Bundesrat hatte bereits Gelegenheit, sich mehrfach zur Schaffung von Asylzentren ausserhalb Europas zu äussern, insbesondere in seinem im Mai 2017 veröffentlichten Bericht "Neukonzeption von Schengen/Dublin, europäische Koordination und burden sharing" in Erfüllung des Postulats 15.3242 Pfister. Anschliessend beantwortete er folgende Vorstösse: Interpellation 21.3387 Hess "Dänemarks Vision 'Null Asylsuchende'. Auch für die Schweiz? ", Motion 21.3785 Quadri "Die Schweiz soll dem Beispiel Dänemarks folgen und Zentren für Asylsuchende ausserhalb von Europa schaffen", Motion 21.3992 Fraktion der Schweizerischen Volkspartei "Gewährleistung des Schutzes von Asylbewerbern in einem sicheren Drittstaat" und Interpellation 22.3730 Quadri «Grossbritannien startet mit dem Ausfliegen von Asylsuchenden nach Ruanda. Und die Schweiz?».&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Der Bundesrat erachtet, dass eine Auslagerung der Asylverfahren in Drittstaaten komplexe rechtliche Fragen aufwirft und mit grossen Herausforderungen auf politischer und operativer Ebene verbunden wäre. Das Recht, ein Asylgesuch zu stellen, sowie die Einhaltung des Non-Refoulement-Prinzips sind zentrale Elemente der Schweizer Asylpolitik und werden sowohl vom Völkerrecht als auch vom nationalen Recht garantiert.</p><p>&nbsp;</p><p>Es trifft zu, dass in einzelnen europäischen Staaten entsprechende Bemühungen in die Wege geleitet wurden. Sie sind aber gescheitert. Das dänische Konzept wurde bis heute nicht umgesetzt und die dänische Regierung hat die entsprechenden Pläne vor einigen Monaten offiziell auf Eis gelegt.&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Auch das Vereinigte Königreich, das eine Anfangsinvestition von rund 120 Millionen Pfund im Rahmen eines neuen Fonds zur Unterstützung der Entwicklung Ruandas zur Verfügung gestellt hat, hat bis zum heutigen Zeitpunkt keine Asylsuchenden nach Ruanda überstellt. So wurde der erste Rückführungsflug vom Vereinigten Königreich nach Ruanda, der am 14. Juni 2022 geplant war, abgesagt. Grund dafür waren Einzelfallentscheidungen britischer Gerichte sowie eine am gleichen Tag erfolgte einstweilige Massnahme des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Damit hat der EGMR namentlich den Bedenken des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge Rechnung getragen, wonach die nach Ruanda überstellten Asylsuchenden keinen Zugang zu einem fairen und effizienten Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft hätten. Diese Bedenken wurden kürzlich vom Englischen Berufungsgericht (Court of Appeal) bestätigt. Demnach kann Ruanda nicht als sicheres Drittland betrachtet werden und der Auslagerungsplan der britischen Regierung wurde für rechtswidrig befunden.&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Die Haltung des Bundesrats entspricht im Übrigen auch den jüngsten Beschlüssen der EU zur Reform des europäischen Asyl- und Migrationspakets: Dieses Paket zielt insbesondere auf die Beschleunigung der Asylverfahren, die Bearbeitung unbegründeter Asylanträge an der Aussengrenze des Schengen-Raums und die Verringerung der sekundären Migration innerhalb des Dublin-Raums ab, doch sieht dieses keine Auslagerung der Asylverfahren in Drittstaaten vor, zu denen die Gesuchsteller keinen (persönlichen) Bezug haben.&nbsp;</p>
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, konkrete Abklärungen zu treffen und dem Parlament ein Konzept vorzulegen, wie Asylverfahren künftig im Ausland durchgeführt sowie, allenfalls auch in Zusammenarbeit mit anderen Staaten, Hilfs- und Schutzzentren im Ausland errichtet werden können. So sollen Menschenhandel und Schlepperwesen bekämpft und bessere Hilfe vor Ort angeboten werden.</p>
    • Paradigmenwechsel in der Asylpolitik. Unterbinden von Migrationsrouten, Bekämpfung von Schlepperwesen und Kriminalität

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