Entwicklung der Hilfslosenentschädigung hin zu einem Betreuungsgeld. Reformbedarf und mögliche Umsetzungen

ShortId
23.4326
Id
20234326
Updated
26.03.2024 21:10
Language
de
Title
Entwicklung der Hilfslosenentschädigung hin zu einem Betreuungsgeld. Reformbedarf und mögliche Umsetzungen
AdditionalIndexing
2836;28
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Die nächsten 30 Jahre werden geprägt sein von der doppelten Alterung unserer Gesellschaft: Immer mehr Menschen werden immer älter. Diese demografische Entwicklung fällt zusammen mit gesellschaftlichen Veränderungen wie weniger geografische Nähe zu Verwandten, höhere Arbeitsmarktbeteiligung der Frauen, steigender Anteil alleinstehender alter Menschen.</p><p>Trotz dieser Entwicklungen bleibt das Ziel der älteren Menschen und der Politik gleich: ein möglichst langer Erhalt der Selbständigkeit. Neben der Pflege rückt deshalb immer stärker der Bedarf an psychosozialer Betreuung in den Fokus, die im IV-Bereich seit vielen Jahren zur Stärkung der Selbständigkeit genutzt wird. Die im Altersbereich damit verbundenen Herausforderungen der Finanzierung wurden in mehreren Studien der letzten Jahre (z. B. «Gute Betreuung im Alter in der Schweiz. Eine Bestandesaufnahme» von Carlo Knöpfel der FHNW und weiteren [2018], Studie «Betreuung von Seniorinnen und Senioren zu Hause: Bedarf und Kosten» der ZHAW im Auftrag der Pro Senectute [2020]) wissenschaftlich belegt. Im Rahmen des Förderprogramms für betreuende Angehörige des Bundes wurden die Schwierigkeiten in der Finanzierung der Betreuung eindringlich beleuchtet (Teilbereich Finanzielle Tragbarkeit der Kosten für Unterstützungs- und Entlastungsangebote, Studie Büro BASS, 2019).</p><p>Diese Tatsachen führten entsprechend zu verschiedenen Vorstössen und politischen Prozessen auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene, wie EL für betreutes Wohnen (Motion der SGK-N 18.3716), Assistenzbeitrag im Bereich AHV (Postulat der SGK-N 22.4262), Anpassung der Hilfsmittellisten (Motion der SGK-N 22.4261), Positionspapiere der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) und des Städteverbandes, Gutschriftmodelle in den Städten Luzern, Bern, Zürich und weitere.</p><p>Die Hilflosenentschädigung wurde für den AHV-Bereich 1968 eingeführt und stellt heute eine der wenigen finanziellen Teilunterstützungen alter Menschen mit Betreuungsbedarf dar. Gleichzeitig weist sie Mängel auf: Sie schliesst die Finanzierungslücke nicht und beachtet entscheidende Kriterien für den Betreuungsbedarf nicht. Der Bericht soll aufzeigen, wie eine angepasste Entschädigung den Zugang zur Betreuung erleichtern kann, um damit die Risiken für Hospitalisierungen, Heimeinweisungen und psychische Erkrankungsbilder deutlich zu reduzieren.</p>
  • <div><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Der Bundesrat teilt die Auffassung, dass der Betreuungsaspekt in den Bereichen Alter und Behinderung in den kommenden Jahrzehnten an Bedeutung gewinnen und die demografische Entwicklung, insbesondere die Bevölkerungsalterung, dabei ein massgebender Einflussfaktor sein wird. Wie jüngst in den Antworten auf verschiedene parlamentarische Vorstösse hervorgehoben (erledigte Motion Carobbio Guscetti 23.3222 «Nationale Strategie für Betreuung und Wohnen im Alter und bei Behinderung», angenommene Motion SGK-N</span><span style="font-family:Arial; -aw-import:spaces">&#xa0; </span><span style="font-family:Arial">22.4262 «Ambulant vor stationär für Menschen mit Behinderung nach Erreichen des AHV-Alters durch Zugang zu Assistenzbeiträgen», angenommene Motion SGK-N 22.4261 «Ambulant vor stationär für Menschen mit Behinderung nach Erreichen des AHV-Alters durch eine «smarte» Auswahl an Hilfsmitteln»), fällt die Hilfe und Pflege von Betagten und Menschen mit Behinderungen zu Hause in die alleinige Zuständigkeit der Kantone (Art.</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">112</span><span style="font-family:Arial; font-style:italic">c</span><span style="font-family:Arial"> Bundesverfassung, </span><span style="font-family:Arial; font-style:italic">SR 101</span><span style="font-family:Arial">).</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Eingehender behandelt wird die im Postulat angesprochene Thematik indes im Rahmen der parlamentarischen Initiative Lohr 12.409 «Entschädigung von Hilfeleistungen von Angehörigen im Rahmen des Assistenzbeitrages» sowie der Behindertenpolitik 2023–2026, für das der Bundesrat ein Schwerpunktprogramm für das Handlungsfeld «Wohnen» gesetzt hat. Dabei soll die Wahlfreiheit von Menschen mit Behinderungen beim Wohnen gefördert sowie bedarfsgerechte und individuell gewählte Unterstützung beim Wohnen ermöglicht werden. Das Programm leistet einen Beitrag an die Koordination der Massnahmen von Bund und Kantonen und schafft Grundlagen für eine kohärente Weiterentwicklung des Wohnens und des selbstbestimmten Lebens. </span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Die verschiedenen Beihilfen, die die Kantone über die Ergänzungsleistungen zur Förderung des Wohnens im eigenen Zuhause finanzieren, sowie die laufende Reform des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen im Bereich betreutes Wohnen, die auf die Motion SGK-N 18.3716 «Ergänzungsleistungen für betreutes Wohnen» zurückgeht, ermöglichen eine gezielte Unterstützung durch Mietzinszuschläge und bestimmte von den Kantonen zu tragende Pflegeleistungen zu Hause. Auch die Initiative der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) zeugt vom Engagement der Kantone in diesem Bereich. </span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Die Prüfung möglicher Finanzierungslücken und die Erarbeitung von Lösungen müssen somit in erster Linie auf kantonaler Ebene erfolgen.</span></p></div><br><br>Der Bundesrat beantragt die Ablehnung des Postulates.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, in einem Bericht aufzuzeigen, wie über die Entwicklung der Hilflosenentschädigung die offene Finanzierungsfrage zu Betreuung im Alter zumindest teilweise beantwortet werden könnte. Dazu gehört die Prüfung einer Angleichung der Leistungen im AHV-Bereich an den IV-Bereich sowie eine, im Vergleich zu heute, zielgenauere Verwendung der Mittel. Der Bericht stellt einen Bezug her zu laufenden politischen Prozessen, aktuellen Forschungsresultaten und der fachlichen Diskussionen der Stakeholder. Ziel einer Reform der Hilflosenentschädigung ist die möglichst lange Selbständigkeit und damit auch die Verhinderung von Pflege- und Gesundheitskosten.</p><p>Der Bericht soll insbesondere ausführen,</p><ul><li>wie mittels Anpassung der Höhe der Entschädigung an die IV und UV-Zahlungen (Hilflosenentschädigungen im IV und UV-Bereich sind heute rund doppelt so hoch wie im AHV-Bereich) das Leben zu Hause im Alter gefördert werden könnte;</li><li>inwiefern die Berücksichtigung von psychosozialen Kriterien beim Entscheid zur Zulassung für eine Entschädigung notwendig ist, um die gewünschte präventive Wirkung zu erzielen, auch hier ist im IV-Bereich das Kriterium der lebenspraktischen Begleitung bereits enthalten;</li><li>wie die Bezugsquote der Hilflosenentschädigung beurteilt wird und welche Massnahmen für eine Verbesserung in Frage kommen würde;</li><li>wie sich eine Modernisierung der Hilflosenentschädigung einfügen würde in die weiteren laufenden politischen Prozesse auf allen drei föderalen Ebenen.</li></ul>
  • Entwicklung der Hilfslosenentschädigung hin zu einem Betreuungsgeld. Reformbedarf und mögliche Umsetzungen
State
Überwiesen an den Bundesrat
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Die nächsten 30 Jahre werden geprägt sein von der doppelten Alterung unserer Gesellschaft: Immer mehr Menschen werden immer älter. Diese demografische Entwicklung fällt zusammen mit gesellschaftlichen Veränderungen wie weniger geografische Nähe zu Verwandten, höhere Arbeitsmarktbeteiligung der Frauen, steigender Anteil alleinstehender alter Menschen.</p><p>Trotz dieser Entwicklungen bleibt das Ziel der älteren Menschen und der Politik gleich: ein möglichst langer Erhalt der Selbständigkeit. Neben der Pflege rückt deshalb immer stärker der Bedarf an psychosozialer Betreuung in den Fokus, die im IV-Bereich seit vielen Jahren zur Stärkung der Selbständigkeit genutzt wird. Die im Altersbereich damit verbundenen Herausforderungen der Finanzierung wurden in mehreren Studien der letzten Jahre (z. B. «Gute Betreuung im Alter in der Schweiz. Eine Bestandesaufnahme» von Carlo Knöpfel der FHNW und weiteren [2018], Studie «Betreuung von Seniorinnen und Senioren zu Hause: Bedarf und Kosten» der ZHAW im Auftrag der Pro Senectute [2020]) wissenschaftlich belegt. Im Rahmen des Förderprogramms für betreuende Angehörige des Bundes wurden die Schwierigkeiten in der Finanzierung der Betreuung eindringlich beleuchtet (Teilbereich Finanzielle Tragbarkeit der Kosten für Unterstützungs- und Entlastungsangebote, Studie Büro BASS, 2019).</p><p>Diese Tatsachen führten entsprechend zu verschiedenen Vorstössen und politischen Prozessen auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene, wie EL für betreutes Wohnen (Motion der SGK-N 18.3716), Assistenzbeitrag im Bereich AHV (Postulat der SGK-N 22.4262), Anpassung der Hilfsmittellisten (Motion der SGK-N 22.4261), Positionspapiere der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) und des Städteverbandes, Gutschriftmodelle in den Städten Luzern, Bern, Zürich und weitere.</p><p>Die Hilflosenentschädigung wurde für den AHV-Bereich 1968 eingeführt und stellt heute eine der wenigen finanziellen Teilunterstützungen alter Menschen mit Betreuungsbedarf dar. Gleichzeitig weist sie Mängel auf: Sie schliesst die Finanzierungslücke nicht und beachtet entscheidende Kriterien für den Betreuungsbedarf nicht. Der Bericht soll aufzeigen, wie eine angepasste Entschädigung den Zugang zur Betreuung erleichtern kann, um damit die Risiken für Hospitalisierungen, Heimeinweisungen und psychische Erkrankungsbilder deutlich zu reduzieren.</p>
    • <div><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Der Bundesrat teilt die Auffassung, dass der Betreuungsaspekt in den Bereichen Alter und Behinderung in den kommenden Jahrzehnten an Bedeutung gewinnen und die demografische Entwicklung, insbesondere die Bevölkerungsalterung, dabei ein massgebender Einflussfaktor sein wird. Wie jüngst in den Antworten auf verschiedene parlamentarische Vorstösse hervorgehoben (erledigte Motion Carobbio Guscetti 23.3222 «Nationale Strategie für Betreuung und Wohnen im Alter und bei Behinderung», angenommene Motion SGK-N</span><span style="font-family:Arial; -aw-import:spaces">&#xa0; </span><span style="font-family:Arial">22.4262 «Ambulant vor stationär für Menschen mit Behinderung nach Erreichen des AHV-Alters durch Zugang zu Assistenzbeiträgen», angenommene Motion SGK-N 22.4261 «Ambulant vor stationär für Menschen mit Behinderung nach Erreichen des AHV-Alters durch eine «smarte» Auswahl an Hilfsmitteln»), fällt die Hilfe und Pflege von Betagten und Menschen mit Behinderungen zu Hause in die alleinige Zuständigkeit der Kantone (Art.</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">112</span><span style="font-family:Arial; font-style:italic">c</span><span style="font-family:Arial"> Bundesverfassung, </span><span style="font-family:Arial; font-style:italic">SR 101</span><span style="font-family:Arial">).</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Eingehender behandelt wird die im Postulat angesprochene Thematik indes im Rahmen der parlamentarischen Initiative Lohr 12.409 «Entschädigung von Hilfeleistungen von Angehörigen im Rahmen des Assistenzbeitrages» sowie der Behindertenpolitik 2023–2026, für das der Bundesrat ein Schwerpunktprogramm für das Handlungsfeld «Wohnen» gesetzt hat. Dabei soll die Wahlfreiheit von Menschen mit Behinderungen beim Wohnen gefördert sowie bedarfsgerechte und individuell gewählte Unterstützung beim Wohnen ermöglicht werden. Das Programm leistet einen Beitrag an die Koordination der Massnahmen von Bund und Kantonen und schafft Grundlagen für eine kohärente Weiterentwicklung des Wohnens und des selbstbestimmten Lebens. </span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Die verschiedenen Beihilfen, die die Kantone über die Ergänzungsleistungen zur Förderung des Wohnens im eigenen Zuhause finanzieren, sowie die laufende Reform des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen im Bereich betreutes Wohnen, die auf die Motion SGK-N 18.3716 «Ergänzungsleistungen für betreutes Wohnen» zurückgeht, ermöglichen eine gezielte Unterstützung durch Mietzinszuschläge und bestimmte von den Kantonen zu tragende Pflegeleistungen zu Hause. Auch die Initiative der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) zeugt vom Engagement der Kantone in diesem Bereich. </span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Die Prüfung möglicher Finanzierungslücken und die Erarbeitung von Lösungen müssen somit in erster Linie auf kantonaler Ebene erfolgen.</span></p></div><br><br>Der Bundesrat beantragt die Ablehnung des Postulates.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, in einem Bericht aufzuzeigen, wie über die Entwicklung der Hilflosenentschädigung die offene Finanzierungsfrage zu Betreuung im Alter zumindest teilweise beantwortet werden könnte. Dazu gehört die Prüfung einer Angleichung der Leistungen im AHV-Bereich an den IV-Bereich sowie eine, im Vergleich zu heute, zielgenauere Verwendung der Mittel. Der Bericht stellt einen Bezug her zu laufenden politischen Prozessen, aktuellen Forschungsresultaten und der fachlichen Diskussionen der Stakeholder. Ziel einer Reform der Hilflosenentschädigung ist die möglichst lange Selbständigkeit und damit auch die Verhinderung von Pflege- und Gesundheitskosten.</p><p>Der Bericht soll insbesondere ausführen,</p><ul><li>wie mittels Anpassung der Höhe der Entschädigung an die IV und UV-Zahlungen (Hilflosenentschädigungen im IV und UV-Bereich sind heute rund doppelt so hoch wie im AHV-Bereich) das Leben zu Hause im Alter gefördert werden könnte;</li><li>inwiefern die Berücksichtigung von psychosozialen Kriterien beim Entscheid zur Zulassung für eine Entschädigung notwendig ist, um die gewünschte präventive Wirkung zu erzielen, auch hier ist im IV-Bereich das Kriterium der lebenspraktischen Begleitung bereits enthalten;</li><li>wie die Bezugsquote der Hilflosenentschädigung beurteilt wird und welche Massnahmen für eine Verbesserung in Frage kommen würde;</li><li>wie sich eine Modernisierung der Hilflosenentschädigung einfügen würde in die weiteren laufenden politischen Prozesse auf allen drei föderalen Ebenen.</li></ul>
    • Entwicklung der Hilfslosenentschädigung hin zu einem Betreuungsgeld. Reformbedarf und mögliche Umsetzungen

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