Verursacherprinzip bei Retouren im Online-Versandhandel anwenden
- ShortId
-
23.4330
- Id
-
20234330
- Updated
-
23.07.2024 19:12
- Language
-
de
- Title
-
Verursacherprinzip bei Retouren im Online-Versandhandel anwenden
- AdditionalIndexing
-
15;34;52;2446
- 1
-
- PriorityCouncil1
-
Ständerat
- Texts
-
- <p>Gemäss einer aktuellen Studie beträgt die Retourenquote im Onlinehandel in der Schweiz rund 7%, d.h. jeder vierzehnte Gegenstand wird zurückgeschickt. In einzelnen Branchen liegt die durchschnittliche Quote deutlich höher, z.B. bei etwa 20% in der Modebranche, wobei einzelne Anbieter eine Quote von bis zu 60% aufweisen. Einer der grössten europäischen Online-Händler (Zalando) gibt seine Retourenquote für das Jahr 2020 mit 50% an.</p><p>Dabei zeigt sich: Je einfacher die Rücksendung vonstatten geht, desto häufiger wird sie genutzt. Einzelne Umfragen zeigen zudem, dass die Schweiz auch in Sachen Retouren einen Spitzenplatz in Europa einnimmt – mit einer Quote von 28% gegenüber 14% im restlichen Europa. </p><p>Die Retouren sorgen bei den Anbietern für erhebliche Zusatzaufwände und -kosten, weil die retournierten Produkte sortiert, ggf. gereinigt und neu verpackt werden müssen – wenn sie nicht gleich direkt vernichtet werden.</p><p>Faktisch werden die kostenlosen Retouren dennoch eingepreist – einfach über die Bestellungen aller Kundinnen und Kunden. Somit werden jene benachteiligt, die sorgfältig und mit ernsthaften Kaufabsichten bestellen. Das Verursacherprinzip wird dadurch ausgehebelt. Kostenlose Retouren setzen aus der Sicht der Kreislaufwirtschaft gleich in doppelter Hinsicht einen Fehlanreiz: </p><ol><li>Einen volkswirtschaftlichen, weil den Händlern zusätzliche Kosten entstehen und Einnahmen entgehen. </li><li>Einen ökologischen, weil gebrauchsfähige Gegenstände im Abfall landen und zuvor über grosse Distanzen hin- und hertransportiert werden. </li></ol><p>Deshalb ist eine Korrektur dieser Fehlanreize auf Gesetzesstufe zu prüfen.</p><p>Die Fehlanreize könnten z.B. mittels Lenkungsabgabe behoben werden, welche bei der Bestellung in Form einer vorgezogenen Retourengebühr erhoben wird, die den Kundinnen und Kunden rückvergütet wird, wenn sie die bestellten Produkte behalten statt zurücksenden.</p><p>Nebenbei würden damit auch gleich lange Spiesse zwischen Onlinehändlern und stationären Detailhändlern geschaffen. Bei Letzteren müssen Kunden und Kundinnen auch immer selbst die Ware vor Ort retournieren und tragen damit die Kosten (Zeit und Transport) selbst.</p>
- <p>Das Parlament hat am 13. Juni 2023 die sehr ähnlich lautende Motion Töngi 21.4208 abgelehnt. Damit hat sich der Gesetzgeber kürzlich dagegen entschieden, Massnahmen zu treffen, damit Retouren im Versandhandel kostenpflichtig sein müssen. Das vorliegende Postulat verlangt nun erneut,entsprechende Gesetzesänderungen zu prüfen.</p><p>Der Bundesrat sieht nach wie vor keine ausreichende Rechtfertigung für einen solchen Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit, da die ökologischen Gesamtwirkungen solcher Massnahmen unklar sind. Erstens sind die zu erwartenden Effekte auf das Verkehrsaufkommen klein und es sind auch Gegeneffekte denkbar (vgl. Stellungnahme zur Motion Töngi 21.4208). Zudem bestehen bereits ökologisch sinnvolle Anreize zur Vermeidung unnötiger Fahrten. Mit der Erhebung der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) kommt das Verursacherprinzip im Schwerverkehr heute schon zur Anwendung. Auch für den Lieferwagenverkehr wäre eine Gebührenerhebung zur Durchsetzung des Verursacherprinzips denkbar, da auch hier Fahrten, insbesondere Rücktransporte von Onlineshops, eingespart werden könnten. Mit Ablehnung der Motion Wicki <a href="https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20204509"><span style="color:#000000;">20.4509</span></a> hat das Parlament jedoch auf die Schaffung entsprechender gesetzlicher Grundlagen verzichtet. Zweitens gibt es derzeit kaum Hinweise, dass in der Schweiz in grösserem Masse Neuwaren im Non-Food Bereich zerstört werden. Zu diesem Schluss kommt der Bericht «Abfallwirtschaft, Abfallvermeidung, Abfallplanung, Messung» des Bundesrates vom 3. März 2023 (in Erfüllung der Postulate Bourgeois 20.3062, Munz 20.3090, Clivaz 20.3727, Gapany 20.4411, Chevalley 20.3110 und Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates 21.4332). Aus diesem Grund beantragt der Bundesrat auch die Motion Pointet 23.3649 zur Ablehnung, laut welcher Unternehmen zur Verwertung von unverkaufter Neuware verpflichtet werden sollen.</p><p>Gemäss der im Postulat erwähnten aktuellen Studie der Hochschule Luzern und der Schweizerischen Post setzen bereits 20 Prozent der Schweizer Onlinehändler von sich aus auf finanzielle Anreize wie Retourengebühren. Dies zeigt, dass die Anbieter individuell abwägen, ob eine solche Gebühr angesichts von Zusatzaufwänden von Retouren für sie wirtschaftlich sinnvoll ist oder nicht. Dies kann je nach dem Geschäftsmodell des Versandhändlers unterschiedlich sein. Verpflichtende Bestimmungen und Lenkungsabgaben würden die unternehmerische Freiheit und den Konsumentennutzen einschränken.</p><p> </p><p>Schliesslich wäre es komplex, Onlinehändler mit Sitz im Ausland in entsprechende Massnahmen einzubinden. Damit besteht das Risiko einer Ungleichbehandlung bzw. Schlechterstellung von Schweizer Anbietern gegenüber ausländischen Versandhändlern, die auch in die Schweiz liefern.</p><p><br><br>Der Bundesrat beantragt die Ablehnung des Postulates.</p>
- <p>Der Bundesrat wird beauftragt, zu prüfen und Bericht zu erstatten, welche Gesetzesänderungen nötig sind, um die Anwendung des Verursacherprinzips bei den Retouren im Online-Versandhandel zu gewährleisten. Dabei sind nebst verpflichtenden Bestimmungen auch finanzielle Anreize wie z. B. eine Lenkungsabgabe zu untersuchen.</p>
- Verursacherprinzip bei Retouren im Online-Versandhandel anwenden
- State
-
Überwiesen an den Bundesrat
- Related Affairs
-
- Drafts
-
-
- Index
- 0
- Texts
-
- <p>Gemäss einer aktuellen Studie beträgt die Retourenquote im Onlinehandel in der Schweiz rund 7%, d.h. jeder vierzehnte Gegenstand wird zurückgeschickt. In einzelnen Branchen liegt die durchschnittliche Quote deutlich höher, z.B. bei etwa 20% in der Modebranche, wobei einzelne Anbieter eine Quote von bis zu 60% aufweisen. Einer der grössten europäischen Online-Händler (Zalando) gibt seine Retourenquote für das Jahr 2020 mit 50% an.</p><p>Dabei zeigt sich: Je einfacher die Rücksendung vonstatten geht, desto häufiger wird sie genutzt. Einzelne Umfragen zeigen zudem, dass die Schweiz auch in Sachen Retouren einen Spitzenplatz in Europa einnimmt – mit einer Quote von 28% gegenüber 14% im restlichen Europa. </p><p>Die Retouren sorgen bei den Anbietern für erhebliche Zusatzaufwände und -kosten, weil die retournierten Produkte sortiert, ggf. gereinigt und neu verpackt werden müssen – wenn sie nicht gleich direkt vernichtet werden.</p><p>Faktisch werden die kostenlosen Retouren dennoch eingepreist – einfach über die Bestellungen aller Kundinnen und Kunden. Somit werden jene benachteiligt, die sorgfältig und mit ernsthaften Kaufabsichten bestellen. Das Verursacherprinzip wird dadurch ausgehebelt. Kostenlose Retouren setzen aus der Sicht der Kreislaufwirtschaft gleich in doppelter Hinsicht einen Fehlanreiz: </p><ol><li>Einen volkswirtschaftlichen, weil den Händlern zusätzliche Kosten entstehen und Einnahmen entgehen. </li><li>Einen ökologischen, weil gebrauchsfähige Gegenstände im Abfall landen und zuvor über grosse Distanzen hin- und hertransportiert werden. </li></ol><p>Deshalb ist eine Korrektur dieser Fehlanreize auf Gesetzesstufe zu prüfen.</p><p>Die Fehlanreize könnten z.B. mittels Lenkungsabgabe behoben werden, welche bei der Bestellung in Form einer vorgezogenen Retourengebühr erhoben wird, die den Kundinnen und Kunden rückvergütet wird, wenn sie die bestellten Produkte behalten statt zurücksenden.</p><p>Nebenbei würden damit auch gleich lange Spiesse zwischen Onlinehändlern und stationären Detailhändlern geschaffen. Bei Letzteren müssen Kunden und Kundinnen auch immer selbst die Ware vor Ort retournieren und tragen damit die Kosten (Zeit und Transport) selbst.</p>
- <p>Das Parlament hat am 13. Juni 2023 die sehr ähnlich lautende Motion Töngi 21.4208 abgelehnt. Damit hat sich der Gesetzgeber kürzlich dagegen entschieden, Massnahmen zu treffen, damit Retouren im Versandhandel kostenpflichtig sein müssen. Das vorliegende Postulat verlangt nun erneut,entsprechende Gesetzesänderungen zu prüfen.</p><p>Der Bundesrat sieht nach wie vor keine ausreichende Rechtfertigung für einen solchen Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit, da die ökologischen Gesamtwirkungen solcher Massnahmen unklar sind. Erstens sind die zu erwartenden Effekte auf das Verkehrsaufkommen klein und es sind auch Gegeneffekte denkbar (vgl. Stellungnahme zur Motion Töngi 21.4208). Zudem bestehen bereits ökologisch sinnvolle Anreize zur Vermeidung unnötiger Fahrten. Mit der Erhebung der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) kommt das Verursacherprinzip im Schwerverkehr heute schon zur Anwendung. Auch für den Lieferwagenverkehr wäre eine Gebührenerhebung zur Durchsetzung des Verursacherprinzips denkbar, da auch hier Fahrten, insbesondere Rücktransporte von Onlineshops, eingespart werden könnten. Mit Ablehnung der Motion Wicki <a href="https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20204509"><span style="color:#000000;">20.4509</span></a> hat das Parlament jedoch auf die Schaffung entsprechender gesetzlicher Grundlagen verzichtet. Zweitens gibt es derzeit kaum Hinweise, dass in der Schweiz in grösserem Masse Neuwaren im Non-Food Bereich zerstört werden. Zu diesem Schluss kommt der Bericht «Abfallwirtschaft, Abfallvermeidung, Abfallplanung, Messung» des Bundesrates vom 3. März 2023 (in Erfüllung der Postulate Bourgeois 20.3062, Munz 20.3090, Clivaz 20.3727, Gapany 20.4411, Chevalley 20.3110 und Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates 21.4332). Aus diesem Grund beantragt der Bundesrat auch die Motion Pointet 23.3649 zur Ablehnung, laut welcher Unternehmen zur Verwertung von unverkaufter Neuware verpflichtet werden sollen.</p><p>Gemäss der im Postulat erwähnten aktuellen Studie der Hochschule Luzern und der Schweizerischen Post setzen bereits 20 Prozent der Schweizer Onlinehändler von sich aus auf finanzielle Anreize wie Retourengebühren. Dies zeigt, dass die Anbieter individuell abwägen, ob eine solche Gebühr angesichts von Zusatzaufwänden von Retouren für sie wirtschaftlich sinnvoll ist oder nicht. Dies kann je nach dem Geschäftsmodell des Versandhändlers unterschiedlich sein. Verpflichtende Bestimmungen und Lenkungsabgaben würden die unternehmerische Freiheit und den Konsumentennutzen einschränken.</p><p> </p><p>Schliesslich wäre es komplex, Onlinehändler mit Sitz im Ausland in entsprechende Massnahmen einzubinden. Damit besteht das Risiko einer Ungleichbehandlung bzw. Schlechterstellung von Schweizer Anbietern gegenüber ausländischen Versandhändlern, die auch in die Schweiz liefern.</p><p><br><br>Der Bundesrat beantragt die Ablehnung des Postulates.</p>
- <p>Der Bundesrat wird beauftragt, zu prüfen und Bericht zu erstatten, welche Gesetzesänderungen nötig sind, um die Anwendung des Verursacherprinzips bei den Retouren im Online-Versandhandel zu gewährleisten. Dabei sind nebst verpflichtenden Bestimmungen auch finanzielle Anreize wie z. B. eine Lenkungsabgabe zu untersuchen.</p>
- Verursacherprinzip bei Retouren im Online-Versandhandel anwenden
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