"Rückkehrorientierter Schutzstatus S". Stimmt das?
- ShortId
-
23.4424
- Id
-
20234424
- Updated
-
26.03.2024 20:45
- Language
-
de
- Title
-
"Rückkehrorientierter Schutzstatus S". Stimmt das?
- AdditionalIndexing
-
2811;09
- 1
-
- PriorityCouncil1
-
Nationalrat
- Texts
-
- <div><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">1. Der Bundesrat hat die Ergebnisse der erwähnten Umfrage zur Kenntnis genommen. Aus seiner Sicht bestätigen die Ergebnisse weitgehend die bisherigen Annahmen, wie sie etwa im Umsetzungskonzept Aufhebung Schutzstatus S des Staatssekretariats für Migration (SEM) enthalten sind, welches der Bundesrat am 29. September 2023 zur Kenntnis nahm. Mehr als zwei Drittel derjenigen Personen, die in der Umfrage des UNHCR angaben, nicht in die Ukraine zurückkehren zu wollen, haben als Hauptgrund Sicherheitsbedenken angegeben. Auch von den heute unentschlossenen Personen nannten drei Viertel die Verbesserung der Sicherheitslage im Land als wichtigsten Faktor im Hinblick auf ihre Absicht zur Rückkehr. Dies bestätigt, dass die Bereitschaft zur Rückkehr in erster Linie von der Situation im Herkunftsland abhängt. </span><br /><span style="font-family:Arial; -aw-import:ignore"> </span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">2 und 4. Die Aufhebung des Schutzstatus setzt voraus, dass sich die Lage in der Ukraine grundlegend und dauerhaft verändert hat, so dass eine Rückkehr dorthin möglich ist und kein unzumutbares Risiko mehr droht. Der Bundesrat erwartet daher nach wie vor, dass die Rückkehrbereitschaft zum gegebenen Zeitpunkt hoch sein wird. Er stützt sich dabei nicht zuletzt auch auf die konkreten Erfahrungen aus den Kriegen in Bosnien und im Kosovo. Die erwähnten 80 % Rückkehrwilligen basieren auf der Hypothese einer Aufhebung des Status S im Zeitraum 2024/25 gemäss Basisszenario des Umsetzungskonzepts Aufhebung Schutzstatus S. Die Ausreisebereitschaft dürfte mit zunehmender Aufenthaltsdauer in der Schweiz abnehmen, insbesondere falls eine Entfremdung mit dem Herkunftsstaat stattfindet. </span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial; -aw-import:ignore"> </span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">3. Integrationsmassnahmen sind auch im Hinblick auf eine spätere Rückkehr sinnvoll, insbesondere wenn Personen durch die Aufrechterhaltung und Erweiterung ihrer beruflichen Kompetenzen einen Beitrag im Herkunftsland leisten können. Gemäss dem Konzept des SEM sollen Personen auch zwangsweise zurückgeführt werden, wenn sie die Ausreisefrist ungenutzt haben verstreichen lassen und sich weigern, die Schweiz freiwillig zu verlassen. </span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial; -aw-import:ignore"> </span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">5. Gemäss Artikel 4 des Asylgesetzes (AsylG; SR 142.31) wird vorübergehender Schutz für die Dauer einer schweren allgemeinen Gefährdung, beispielsweise während eines Krieges, gewährt. Er muss nicht periodisch verlängert werden, sondern gilt bis zum Bundesratsentscheid über dessen Aufhebung. Der Entscheid, den Schutzstatus S grundsätzlich bis zum 4.</span><span style="font-family:Arial"> </span><span style="font-family:Arial">März 2025 nicht aufzuheben, schafft Planungssicherheit und Kohärenz mit der EU, jedoch keinen zusätzlichen Anreiz zum Verbleib in der Schweiz. </span></p></div>
- <p><span style="color:black;">Aus einer vor wenigen Tagen veröffentlichten Studie des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR), des Staatssekretariats für Migration (SEM) und der Ipsos AG Schweiz, die unter 2.800 ukrainischen Flüchtlingen in der Schweiz durchgeführt wurde, geht hervor, dass nur ein Drittel der Befragten in die Ukraine zurückkehren will. Bereits heute geben 27 Prozent an, sie wollten nicht zurückkehren. 40 Prozent waren unentschlossen.</span></p><p><span style="color:black;">Selbstverständlich sind das zufällige Zahlen: Je mehr Zeit vergeht - und der Bundesrat hat bekanntlich die Dauer des Status S bis März 2025 verlängert -, desto weniger Menschen werden bereit sein, auch nach dem Ende des Konflikts in der Ukraine unser Land und vor allem sein grosszügiges Sozialsystem zu verlassen, um in ein vom Krieg verheertes Land zurückzukehren, in dem der Durchschnittslohn im Jahr 2021 bei 462,5 Euro brutto lag und das immer noch weit von europäischen Standards entfernt ist (trotz des Anspruchs auf EU-Mitgliedschaft).</span></p><p><span style="color:black;">Aber auch eine Umfrage, die in den letzten Monaten in Deutschland durchgeführt wurde, hat ergeben, dass etwa die Hälfte der ukrainischen Flüchtlinge nach Beendigung des Krieges nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren wollen.</span></p><p><span style="color:black;">Es besteht daher Grund zur Annahme, dass die Mehrheit der ukrainischen Flüchtlinge nicht bereit sein wird, nach Ablauf der Geltungsdauer des Schutzstatus S freiwillig zurückzukehren (und es ist nicht auszuschliessen, dass seine Dauer weiter verlängert wird).</span></p><p><span style="color:black;">Darum frage ich den Bundesrat:</span></p><ul><li><span style="color:black;">Wie beurteilt er die Ergebnisse der oben erwähnten Studie?</span></li><li><span style="color:black;">Ist die Darstellung des Bundesrates, der Schutzstatus S sei rückkehrorientiert, noch glaubwürdig?</span></li><li><span style="color:black;">Bereitet sich der Bundesrat angemessen auf ein Szenario vor, in dem die Mehrheit der derzeitigen Nutzniesserinnen und Nutzniesser des Schutzstatus S (vielleicht sogar mehr als zwei Drittel, je nachdem, wie sich die 40 % der heute noch Unentschlossenen entscheiden werden) nicht zur Rückkehr in ihre Heimat bereit sind? Was gedenkt er zu tun für den Fall, dass sich diese Hypothese bewahrheitet?</span></li><li><span style="color:black;">Sind die Prognosen des SEM vom Oktober letzten Jahres, wonach rund 70'000 Ukrainerinnen und Ukrainer in ihre Heimat zurückkehren werden, 80 Prozent von ihnen spontan, noch realistisch?</span></li><li><span style="color:black;">Ist der Bundesrat nicht auch der Ansicht, dass sein Entscheid von Anfang November, die Geltungsdauer des Schutzstatus S auf einen Schlag um fast anderthalb Jahre bis März 2025 zu verlängern, die spontane Ausreise der ukrainischen Flüchtlinge erschwert - um nicht zu sagen, höchst unwahrscheinlich macht?</span></li></ul>
- "Rückkehrorientierter Schutzstatus S". Stimmt das?
- State
-
Erledigt
- Related Affairs
-
- Drafts
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-
- Index
- 0
- Texts
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- <div><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">1. Der Bundesrat hat die Ergebnisse der erwähnten Umfrage zur Kenntnis genommen. Aus seiner Sicht bestätigen die Ergebnisse weitgehend die bisherigen Annahmen, wie sie etwa im Umsetzungskonzept Aufhebung Schutzstatus S des Staatssekretariats für Migration (SEM) enthalten sind, welches der Bundesrat am 29. September 2023 zur Kenntnis nahm. Mehr als zwei Drittel derjenigen Personen, die in der Umfrage des UNHCR angaben, nicht in die Ukraine zurückkehren zu wollen, haben als Hauptgrund Sicherheitsbedenken angegeben. Auch von den heute unentschlossenen Personen nannten drei Viertel die Verbesserung der Sicherheitslage im Land als wichtigsten Faktor im Hinblick auf ihre Absicht zur Rückkehr. Dies bestätigt, dass die Bereitschaft zur Rückkehr in erster Linie von der Situation im Herkunftsland abhängt. </span><br /><span style="font-family:Arial; -aw-import:ignore"> </span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">2 und 4. Die Aufhebung des Schutzstatus setzt voraus, dass sich die Lage in der Ukraine grundlegend und dauerhaft verändert hat, so dass eine Rückkehr dorthin möglich ist und kein unzumutbares Risiko mehr droht. Der Bundesrat erwartet daher nach wie vor, dass die Rückkehrbereitschaft zum gegebenen Zeitpunkt hoch sein wird. Er stützt sich dabei nicht zuletzt auch auf die konkreten Erfahrungen aus den Kriegen in Bosnien und im Kosovo. Die erwähnten 80 % Rückkehrwilligen basieren auf der Hypothese einer Aufhebung des Status S im Zeitraum 2024/25 gemäss Basisszenario des Umsetzungskonzepts Aufhebung Schutzstatus S. Die Ausreisebereitschaft dürfte mit zunehmender Aufenthaltsdauer in der Schweiz abnehmen, insbesondere falls eine Entfremdung mit dem Herkunftsstaat stattfindet. </span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial; -aw-import:ignore"> </span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">3. Integrationsmassnahmen sind auch im Hinblick auf eine spätere Rückkehr sinnvoll, insbesondere wenn Personen durch die Aufrechterhaltung und Erweiterung ihrer beruflichen Kompetenzen einen Beitrag im Herkunftsland leisten können. Gemäss dem Konzept des SEM sollen Personen auch zwangsweise zurückgeführt werden, wenn sie die Ausreisefrist ungenutzt haben verstreichen lassen und sich weigern, die Schweiz freiwillig zu verlassen. </span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial; -aw-import:ignore"> </span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">5. Gemäss Artikel 4 des Asylgesetzes (AsylG; SR 142.31) wird vorübergehender Schutz für die Dauer einer schweren allgemeinen Gefährdung, beispielsweise während eines Krieges, gewährt. Er muss nicht periodisch verlängert werden, sondern gilt bis zum Bundesratsentscheid über dessen Aufhebung. Der Entscheid, den Schutzstatus S grundsätzlich bis zum 4.</span><span style="font-family:Arial"> </span><span style="font-family:Arial">März 2025 nicht aufzuheben, schafft Planungssicherheit und Kohärenz mit der EU, jedoch keinen zusätzlichen Anreiz zum Verbleib in der Schweiz. </span></p></div>
- <p><span style="color:black;">Aus einer vor wenigen Tagen veröffentlichten Studie des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR), des Staatssekretariats für Migration (SEM) und der Ipsos AG Schweiz, die unter 2.800 ukrainischen Flüchtlingen in der Schweiz durchgeführt wurde, geht hervor, dass nur ein Drittel der Befragten in die Ukraine zurückkehren will. Bereits heute geben 27 Prozent an, sie wollten nicht zurückkehren. 40 Prozent waren unentschlossen.</span></p><p><span style="color:black;">Selbstverständlich sind das zufällige Zahlen: Je mehr Zeit vergeht - und der Bundesrat hat bekanntlich die Dauer des Status S bis März 2025 verlängert -, desto weniger Menschen werden bereit sein, auch nach dem Ende des Konflikts in der Ukraine unser Land und vor allem sein grosszügiges Sozialsystem zu verlassen, um in ein vom Krieg verheertes Land zurückzukehren, in dem der Durchschnittslohn im Jahr 2021 bei 462,5 Euro brutto lag und das immer noch weit von europäischen Standards entfernt ist (trotz des Anspruchs auf EU-Mitgliedschaft).</span></p><p><span style="color:black;">Aber auch eine Umfrage, die in den letzten Monaten in Deutschland durchgeführt wurde, hat ergeben, dass etwa die Hälfte der ukrainischen Flüchtlinge nach Beendigung des Krieges nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren wollen.</span></p><p><span style="color:black;">Es besteht daher Grund zur Annahme, dass die Mehrheit der ukrainischen Flüchtlinge nicht bereit sein wird, nach Ablauf der Geltungsdauer des Schutzstatus S freiwillig zurückzukehren (und es ist nicht auszuschliessen, dass seine Dauer weiter verlängert wird).</span></p><p><span style="color:black;">Darum frage ich den Bundesrat:</span></p><ul><li><span style="color:black;">Wie beurteilt er die Ergebnisse der oben erwähnten Studie?</span></li><li><span style="color:black;">Ist die Darstellung des Bundesrates, der Schutzstatus S sei rückkehrorientiert, noch glaubwürdig?</span></li><li><span style="color:black;">Bereitet sich der Bundesrat angemessen auf ein Szenario vor, in dem die Mehrheit der derzeitigen Nutzniesserinnen und Nutzniesser des Schutzstatus S (vielleicht sogar mehr als zwei Drittel, je nachdem, wie sich die 40 % der heute noch Unentschlossenen entscheiden werden) nicht zur Rückkehr in ihre Heimat bereit sind? Was gedenkt er zu tun für den Fall, dass sich diese Hypothese bewahrheitet?</span></li><li><span style="color:black;">Sind die Prognosen des SEM vom Oktober letzten Jahres, wonach rund 70'000 Ukrainerinnen und Ukrainer in ihre Heimat zurückkehren werden, 80 Prozent von ihnen spontan, noch realistisch?</span></li><li><span style="color:black;">Ist der Bundesrat nicht auch der Ansicht, dass sein Entscheid von Anfang November, die Geltungsdauer des Schutzstatus S auf einen Schlag um fast anderthalb Jahre bis März 2025 zu verlängern, die spontane Ausreise der ukrainischen Flüchtlinge erschwert - um nicht zu sagen, höchst unwahrscheinlich macht?</span></li></ul>
- "Rückkehrorientierter Schutzstatus S". Stimmt das?
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