Biodiversitätskrise und Lebensmittelproduktion. Quo vadis?
- ShortId
-
23.4425
- Id
-
20234425
- Updated
-
26.03.2024 20:45
- Language
-
de
- Title
-
Biodiversitätskrise und Lebensmittelproduktion. Quo vadis?
- AdditionalIndexing
-
2841;55;52
- 1
-
- PriorityCouncil1
-
Nationalrat
- Texts
-
- <p><span style="color:black;">7'594 km<sup>2</sup> an artenreichen Lebensräumen in der Schweiz gingen seit 1900 verloren. Das entspricht beinahe einem Fünftel der gesamten Landesfläche. Die Hälfte der verbleibenden Lebensräume für Tiere und Pflanzen ist gefährdet. Besonders betroffen sind Feuchtgebiete und Gewässer. Der Artenverlust im Tier- und Pflanzenreich hat einen Höchststand erreicht (ein Drittel aller Tier- und Pflanzenarten in der Schweiz gelten als gefährdet oder als bereits ausgestorben). Nebst den verheerenden Folgen für die Tier- und Pflanzenwelt ist auch mit schweren Konsequenzen für das menschliche Leben in der Schweiz zu rechnen, insbesondere für die Landwirtschaft. Während sich die Nachfrage der Lebensmittel laut Prognosen bis 2050 verdoppeln wird, ist mit durch den Biodiversitätsverlust bedingten Ernteausfällen zu rechnen.</span></p><p><span style="color:black;">In diesem Kontext bitte ich den Bundesrat um die Beantwortung folgender Fragen. </span></p>
- <div><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Zu 1) und 2):</span><br /><span style="font-family:Arial">Der Rückgang der Biodiversität ist ein globales und komplexes Thema, das durch eine Kombination von verschiedenen Faktoren verursacht wird. Betroffen ist potenziell eine Vielzahl von Agrarprodukten. Insbesondere ist die Landwirtschaft stark von der Bestäubung durch Insekten, von der natürlichen Regulation von Schädlingen und Krankheiten und von der Aufrechterhaltung der Bodenfruchtbarkeit abhängig. Einem besonderen Risiko sind deshalb Acker- und Spezialkulturen ausgesetzt, die direkt davon abhängen, beispielsweise Obst und Gemüse. </span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Zu 3) und 4):</span><br /><span style="font-family:Arial">Mögliche Ertragsausfälle sind schwer zu quantifizieren. Agroscope hat den ökonomischen Wert der hauptsächlich von Wild- und Honigbienen erbrachten Bestäubungsleistungen für die Schweizer Landwirtschaft auf rund 340 Millionen Franken pro Jahr geschätzt. In einzelnen Fällen hat Agroscope bereits heute Ertragsdefizite aufgrund von unzureichender Bestäubung beobachtet, im allgemeinen ist die Bestäubung derzeit jedoch weitgehend gesichert. Besonders anfällig für einen vollständigen Ertragsausfall sind grossflächige Monokulturen mit geringer genetischer Vielfalt.</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Zu 5):</span><br /><span style="font-family:Arial">Gemäss OECD-FAO Agricultural Outlook 2023-2032 dürfte die weltweite Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln mittelfristig stabil bleiben. Als grösste Herausforderungen für die Ernährungssicherheit der Schweiz beschreibt Agroscope die pro Kopf sinkende Agrarfläche, zunehmende Extremwetterereignisse und einen verstärkten Schaderregerdruck. Faktoren wie Klimawandel, Rückgang der Biodiversität, invasive Neobiota, instabile Handelsbeziehungen, Konflikte oder die Preise für Energie könnten die Ernährungssicherheit jedoch negativ beeinflussen. Im 2023 aktualisierten Gefährdungskatalog schreibt das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS) betreffend Biodiversitätsverlust, dass die Wirkungsketten sehr komplex sind und noch nicht genügend Informationen vorliegen, um die Folgen des Biodiversitätsverlusts genauer abschätzen zu können. Wichtige Erkenntnisse wird das Nationale Forschungsprogramm «Förderung der Biodiversität und nachhaltiger Ökosystemleistungen für die Schweiz» (NFP 82) liefern. Aktuell läuft dessen Ausschreibung. </span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Zu 6):</span><br /><span style="font-family:Arial">Durch einen langfristig möglichen Rückgang der Erträge sowie höherer Aufwände zur Kompensation sinkender Ökosystemleistungen würde das Angebot an im In- und Ausland produzierten Lebensmitteln tendenziell knapper. Dies würde zu höheren Lebensmittelpreisen und einem höheren Bedarf an importierten Lebensmitteln führen.</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; page-break-inside:avoid; page-break-after:avoid; line-height:150%; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Zu 7):</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; page-break-inside:avoid; page-break-after:avoid; line-height:150%; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Verschiedene Bundesämter, unter anderen das BAFU und das BLW, tragen zur Förderung der Biodiversität und der Lebensmittelproduktion in der Schweiz bei. Sie informieren auch die Öffentlichkeit über die Auswirkungen des Biodiversitätsverlustes und die Massnahmen, die zugunsten der Biodiversität ergriffen werden. Neben den staatlichen Stellen</span><span style="font-family:'Segoe UI'; color:#111111"> </span><span style="font-family:Arial">gibt es viele private Organisationen, die ebenfalls Öffentlichkeitsarbeit leisten. </span></p></div>
- <p><span style="color:black;">7'594 km<sup>2</sup> an artenreichen Lebensräumen in der Schweiz gingen seit 1900 verloren. Das entspricht beinahe einem Fünftel der gesamten Landesfläche. Die Hälfte der verbleibenden Lebensräume für Tiere und Pflanzen ist gefährdet. Besonders betroffen sind Feuchtgebiete und Gewässer. Der Artenverlust im Tier- und Pflanzenreich hat einen Höchststand erreicht (ein Drittel aller Tier- und Pflanzenarten in der Schweiz gelten als gefährdet oder als bereits ausgestorben). Nebst den verheerenden Folgen für die Tier- und Pflanzenwelt ist auch mit schweren Konsequenzen für das menschliche Leben in der Schweiz zu rechnen, insbesondere für die Landwirtschaft. Während sich die Nachfrage der Lebensmittel laut Prognosen bis 2050 verdoppeln wird, ist mit durch den Biodiversitätsverlust bedingten Ernteausfällen zu rechnen.</span></p><p> </p><p><span style="color:black;">In diesem Kontext bitte ich den Bundesrat um die Beantwortung folgender Fragen:</span></p><ol><li><span style="color:black;">Welche hierzulande produzierten Lebensmittel sind von der Biodiversitätskrise betroffen? </span></li><li><span style="color:black;">Bei welchen Lebensmitteln ist durch den Artenrückgang (ohne äussere Einflüsse, z.B. künstliche Bestäubung) mit einem Ernterückgang zu rechnen? </span></li><li><span style="color:black;">In welcher Grössenordnung bewegen sich die zu erwartenden Ertragsausfälle? </span></li><li><span style="color:black;">Gibt es Lebensmittel, die durch die Biodiversitätskrise innerhalb der nächsten 50 Jahre von einem vollständigen Ertragsausfall betroffen sein könnten?</span></li><li><span style="color:black;">Inwiefern wirkt sich die Biodiversitätskrise auf die Ernährungssicherheit der Schweiz aus und inwiefern begibt sich die Schweiz damit in neue Abhängigkeiten bzgl. dem Import von Lebensmitteln?</span></li><li><span style="color:black;">Wie werden sich die prognostizierten Entwicklungen auf die Lebensmittelpreise auswirken?</span></li><li><span style="color:black;">Wie wird die Bevölkerung über den Zusammenhang zwischen Biodiversitätskrise und Lebensmittelproduktion informiert?</span></li></ol>
- Biodiversitätskrise und Lebensmittelproduktion. Quo vadis?
- State
-
Erledigt
- Related Affairs
-
- Drafts
-
-
- Index
- 0
- Texts
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- <p><span style="color:black;">7'594 km<sup>2</sup> an artenreichen Lebensräumen in der Schweiz gingen seit 1900 verloren. Das entspricht beinahe einem Fünftel der gesamten Landesfläche. Die Hälfte der verbleibenden Lebensräume für Tiere und Pflanzen ist gefährdet. Besonders betroffen sind Feuchtgebiete und Gewässer. Der Artenverlust im Tier- und Pflanzenreich hat einen Höchststand erreicht (ein Drittel aller Tier- und Pflanzenarten in der Schweiz gelten als gefährdet oder als bereits ausgestorben). Nebst den verheerenden Folgen für die Tier- und Pflanzenwelt ist auch mit schweren Konsequenzen für das menschliche Leben in der Schweiz zu rechnen, insbesondere für die Landwirtschaft. Während sich die Nachfrage der Lebensmittel laut Prognosen bis 2050 verdoppeln wird, ist mit durch den Biodiversitätsverlust bedingten Ernteausfällen zu rechnen.</span></p><p><span style="color:black;">In diesem Kontext bitte ich den Bundesrat um die Beantwortung folgender Fragen. </span></p>
- <div><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Zu 1) und 2):</span><br /><span style="font-family:Arial">Der Rückgang der Biodiversität ist ein globales und komplexes Thema, das durch eine Kombination von verschiedenen Faktoren verursacht wird. Betroffen ist potenziell eine Vielzahl von Agrarprodukten. Insbesondere ist die Landwirtschaft stark von der Bestäubung durch Insekten, von der natürlichen Regulation von Schädlingen und Krankheiten und von der Aufrechterhaltung der Bodenfruchtbarkeit abhängig. Einem besonderen Risiko sind deshalb Acker- und Spezialkulturen ausgesetzt, die direkt davon abhängen, beispielsweise Obst und Gemüse. </span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Zu 3) und 4):</span><br /><span style="font-family:Arial">Mögliche Ertragsausfälle sind schwer zu quantifizieren. Agroscope hat den ökonomischen Wert der hauptsächlich von Wild- und Honigbienen erbrachten Bestäubungsleistungen für die Schweizer Landwirtschaft auf rund 340 Millionen Franken pro Jahr geschätzt. In einzelnen Fällen hat Agroscope bereits heute Ertragsdefizite aufgrund von unzureichender Bestäubung beobachtet, im allgemeinen ist die Bestäubung derzeit jedoch weitgehend gesichert. Besonders anfällig für einen vollständigen Ertragsausfall sind grossflächige Monokulturen mit geringer genetischer Vielfalt.</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Zu 5):</span><br /><span style="font-family:Arial">Gemäss OECD-FAO Agricultural Outlook 2023-2032 dürfte die weltweite Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln mittelfristig stabil bleiben. Als grösste Herausforderungen für die Ernährungssicherheit der Schweiz beschreibt Agroscope die pro Kopf sinkende Agrarfläche, zunehmende Extremwetterereignisse und einen verstärkten Schaderregerdruck. Faktoren wie Klimawandel, Rückgang der Biodiversität, invasive Neobiota, instabile Handelsbeziehungen, Konflikte oder die Preise für Energie könnten die Ernährungssicherheit jedoch negativ beeinflussen. Im 2023 aktualisierten Gefährdungskatalog schreibt das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS) betreffend Biodiversitätsverlust, dass die Wirkungsketten sehr komplex sind und noch nicht genügend Informationen vorliegen, um die Folgen des Biodiversitätsverlusts genauer abschätzen zu können. Wichtige Erkenntnisse wird das Nationale Forschungsprogramm «Förderung der Biodiversität und nachhaltiger Ökosystemleistungen für die Schweiz» (NFP 82) liefern. Aktuell läuft dessen Ausschreibung. </span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Zu 6):</span><br /><span style="font-family:Arial">Durch einen langfristig möglichen Rückgang der Erträge sowie höherer Aufwände zur Kompensation sinkender Ökosystemleistungen würde das Angebot an im In- und Ausland produzierten Lebensmitteln tendenziell knapper. Dies würde zu höheren Lebensmittelpreisen und einem höheren Bedarf an importierten Lebensmitteln führen.</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; page-break-inside:avoid; page-break-after:avoid; line-height:150%; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Zu 7):</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; page-break-inside:avoid; page-break-after:avoid; line-height:150%; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Verschiedene Bundesämter, unter anderen das BAFU und das BLW, tragen zur Förderung der Biodiversität und der Lebensmittelproduktion in der Schweiz bei. Sie informieren auch die Öffentlichkeit über die Auswirkungen des Biodiversitätsverlustes und die Massnahmen, die zugunsten der Biodiversität ergriffen werden. Neben den staatlichen Stellen</span><span style="font-family:'Segoe UI'; color:#111111"> </span><span style="font-family:Arial">gibt es viele private Organisationen, die ebenfalls Öffentlichkeitsarbeit leisten. </span></p></div>
- <p><span style="color:black;">7'594 km<sup>2</sup> an artenreichen Lebensräumen in der Schweiz gingen seit 1900 verloren. Das entspricht beinahe einem Fünftel der gesamten Landesfläche. Die Hälfte der verbleibenden Lebensräume für Tiere und Pflanzen ist gefährdet. Besonders betroffen sind Feuchtgebiete und Gewässer. Der Artenverlust im Tier- und Pflanzenreich hat einen Höchststand erreicht (ein Drittel aller Tier- und Pflanzenarten in der Schweiz gelten als gefährdet oder als bereits ausgestorben). Nebst den verheerenden Folgen für die Tier- und Pflanzenwelt ist auch mit schweren Konsequenzen für das menschliche Leben in der Schweiz zu rechnen, insbesondere für die Landwirtschaft. Während sich die Nachfrage der Lebensmittel laut Prognosen bis 2050 verdoppeln wird, ist mit durch den Biodiversitätsverlust bedingten Ernteausfällen zu rechnen.</span></p><p> </p><p><span style="color:black;">In diesem Kontext bitte ich den Bundesrat um die Beantwortung folgender Fragen:</span></p><ol><li><span style="color:black;">Welche hierzulande produzierten Lebensmittel sind von der Biodiversitätskrise betroffen? </span></li><li><span style="color:black;">Bei welchen Lebensmitteln ist durch den Artenrückgang (ohne äussere Einflüsse, z.B. künstliche Bestäubung) mit einem Ernterückgang zu rechnen? </span></li><li><span style="color:black;">In welcher Grössenordnung bewegen sich die zu erwartenden Ertragsausfälle? </span></li><li><span style="color:black;">Gibt es Lebensmittel, die durch die Biodiversitätskrise innerhalb der nächsten 50 Jahre von einem vollständigen Ertragsausfall betroffen sein könnten?</span></li><li><span style="color:black;">Inwiefern wirkt sich die Biodiversitätskrise auf die Ernährungssicherheit der Schweiz aus und inwiefern begibt sich die Schweiz damit in neue Abhängigkeiten bzgl. dem Import von Lebensmitteln?</span></li><li><span style="color:black;">Wie werden sich die prognostizierten Entwicklungen auf die Lebensmittelpreise auswirken?</span></li><li><span style="color:black;">Wie wird die Bevölkerung über den Zusammenhang zwischen Biodiversitätskrise und Lebensmittelproduktion informiert?</span></li></ol>
- Biodiversitätskrise und Lebensmittelproduktion. Quo vadis?
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