Eingriffe in den menschlichen Körper, die nicht präventiven oder therapeutischen Zwecken dienen, einer besonderen Gesetzgebung unterstellen

ShortId
24.3643
Id
20243643
Updated
26.09.2024 13:00
Language
de
Title
Eingriffe in den menschlichen Körper, die nicht präventiven oder therapeutischen Zwecken dienen, einer besonderen Gesetzgebung unterstellen
AdditionalIndexing
2841
1
PriorityCouncil1
Ständerat
Texts
  • <p>Eingriffe in den menschlichen Körper, die nicht zu präventiven oder kurativen, sondern zu ästhetischen Zwecken oder aus Modegründen vorgenommen werden, nehmen zu und betreffen immer jüngere Personen, die oft schlecht informiert und dem Druck von Modeströmungen hilflos ausgeliefert sind.</p><p>Dieser Markt ist so lukrativ, dass viele der in unseren Einrichtungen ausgebildeten Dermatologinnen und Dermatologen ihre traditionelle Tätigkeit aufgeben und sich auf die Schönheitschirurgie konzentrieren.</p><p>Diese Modeerscheinung führt zu Problemen, auf die die derzeitigen gesetzlichen Bestimmungen keine Antwort geben.</p><p>Einerseits unterstellt die aktuelle Rechtsprechung die Beziehung zwischen dem Therapeuten oder der Person, die in den menschlichen Körper eingreift, und dem Patienten oder der Klientin dem Auftragsrecht (Art. 394ff. OR), und damit lediglich einer Mittelverpflichtung und nicht einer Ergebnisverpflichtung. Diese Einschätzung ist gerechtfertigt, wenn der Eingriff einen vorbeugenden oder heilenden Zweck hat, da die behandelnde Person bei einer Ergebnisverpflichtung auf einen Eingriff verzichten könnte, wenn dessen Ergebnis unsicher ist. Im Gegenzug muss aber die behandelnde Person die Patientin oder den Patienten insbesondere über die Risiken und Vorteile des Eingriffs so aufklären, dass diese oder dieser vor der Verletzung seiner körperlichen Integrität die Einwilligung nach umfassender Aufklärung geben kann (BGE 108 II 59).&nbsp;</p><p>Auf der anderen Seite stehen die unerwünschten und gesundheitsschädigenden Folgen solcher Eingriffe, die letztlich von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung und damit von der Gemeinschaft der Versicherten getragen werden. Und dies, obwohl das ursächliche Risikoverhalten seinen Ursprung in der Beeinflussbarkeit der Klientin oder des Klienten und sehr oft in der Profitgier der behandelnden Person, hat. Solche Eingriffe von der Deckung durch das KVG auszuschliessen, könnte eine Lösung sein. Sie kann aber vernünftigerweise nicht gewählt werden, da die bescheidenen finanziellen Verhältnisse der Personen, die sich diesen Eingriffen unterziehen, dazu führen könnten, dass sie auf notwendige Behandlungen verzichten.</p><p>Die behandelnde Person kann sich heute ihrer Verantwortung entziehen, wenn sie nachweislich die Massnahmen ergriffen hat, die notwendig sind, um ein unerwünschtes Ergebnis zu vermeiden; sie haftet nicht für ein Ergebnis, das nicht dem entspricht, was mit der Klientin oder dem Klienten vereinbart wurde. Diese Situation ist nicht länger tragbar.</p>
  • <div><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Für kosmetische Eingriffe gelten grundsätzlich die gleichen Anforderungen wie bei anderen medizinischen Eingriffen (vgl. hierzu Ip. Wermuth 18.3503). So müssen die vorgängigen Abklärungen und der Eingriff dem anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaften entsprechen. Ärztinnen und Ärzte müssen im Rahmen ihrer Sorgfaltspflicht alles tun, um Fehler zu vermeiden. Ebenso gilt das Prinzip der freien und aufgeklärten Einwilligung. Wer ohne vorgängige Aufklärung und Zustimmung der betroffenen Person einen Eingriff vornimmt, begeht eine rechtswidrige Handlung, haftet für den verursachten Schaden und wird mitunter strafbar - auch wenn der Eingriff nach den Regeln der Kunst durchgeführt wurde. Dabei anerkennen Lehre und Rechtsprechung eine gewisse Sonderstellung der Schönheitschirurgie: Für rein ästhetische Eingriffe gilt eine erhöhte Aufklärungspflicht. Demnach sind die Risiken umfassender zu erläutern, weil der Eingriff medizinisch nicht erforderlich ist.</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Der Bundesrat ist daher weiterhin der Meinung, dass solche Eingriffe genügend geregelt sind und seitens Bund kein Handlungsbedarf besteht. Die Aufsicht über die Ausübung von Medizinalberufen obliegt den Kantonen. </span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial; -aw-import:ignore">&#xa0;</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Im Übrigen wäre eine Regelung im Sinne der Motion aus mehreren Gründen auch nicht sinnvoll. Namentlich sind die Vorgänge im menschlichen Körper komplex und durch den Behandelnden nicht völlig beherrschbar. Nach allgemeiner Auffassung kann daher der Erfolg einer Behandlung grundsätzlich nicht garantiert werden, was auch für kosmetische Eingriffe gilt. Kann eine Leistung nicht als Erfolg versprochen werden, so darf das auch nicht gesetzlich gefordert werden. Daher unterliegen medizinische Eingriffe in aller Regel dem Auftragsrecht. Zudem ist mit Blick auf eine allfällige Haftung festzuhalten: Unabhängig von der Vertragsqualifikation wird für sogenannt positive Vertragsverletzungen (namentlich Schädigungen, die einer behandelten Person bei der Vertragserfüllung zugefügt werden) nur gehaftet bei Verletzung der nach den Regeln der Kunst geschuldeten Sorgfalt.</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial; -aw-import:ignore">&#xa0;</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Schliesslich teilt der Bundesrat die Einschätzung des Motionärs, dass ein krankenversicherungsrechtlicher Ausschluss keine Option darstellt. Der Bundesrat verweist diesbezüglich auf die vom Ständerat abgewiesene Motion Humbel 12.3246. Wie vom Bundesrat und auch im Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerats damals festgehalten, würde dadurch ein unerwünschter Paradigmenwechsel eingeleitet. Für den massgebenden Krankheitsbegriff ist die Ursache der Gesundheitsbeeinträchtigung ohne Bedeutung, sofern die Unfallkausalität ausgeschlossen werden kann (Solidaritätsprinzip). Es wäre sachlich und mit Blick auf den Grundsatz einer rechtsgleichen Behandlung auch nicht begründbar, nur Folgebehandlungen von nicht kassenpflichtigen kosmetischen Eingriffen von der Leistungspflicht auszunehmen.</span></p></div><br><br>Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, einen Gesetzesentwurf vorzulegen, mit dem Eingriffe in den menschlichen Körper ohne präventiven oder therapeutischen Zweck spezifischen Bestimmungen unterstellt werden sollen, die die blosse Mittelverpflichtung im Vertragsrecht korrigieren.</p>
  • Eingriffe in den menschlichen Körper, die nicht präventiven oder therapeutischen Zwecken dienen, einer besonderen Gesetzgebung unterstellen
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Eingriffe in den menschlichen Körper, die nicht zu präventiven oder kurativen, sondern zu ästhetischen Zwecken oder aus Modegründen vorgenommen werden, nehmen zu und betreffen immer jüngere Personen, die oft schlecht informiert und dem Druck von Modeströmungen hilflos ausgeliefert sind.</p><p>Dieser Markt ist so lukrativ, dass viele der in unseren Einrichtungen ausgebildeten Dermatologinnen und Dermatologen ihre traditionelle Tätigkeit aufgeben und sich auf die Schönheitschirurgie konzentrieren.</p><p>Diese Modeerscheinung führt zu Problemen, auf die die derzeitigen gesetzlichen Bestimmungen keine Antwort geben.</p><p>Einerseits unterstellt die aktuelle Rechtsprechung die Beziehung zwischen dem Therapeuten oder der Person, die in den menschlichen Körper eingreift, und dem Patienten oder der Klientin dem Auftragsrecht (Art. 394ff. OR), und damit lediglich einer Mittelverpflichtung und nicht einer Ergebnisverpflichtung. Diese Einschätzung ist gerechtfertigt, wenn der Eingriff einen vorbeugenden oder heilenden Zweck hat, da die behandelnde Person bei einer Ergebnisverpflichtung auf einen Eingriff verzichten könnte, wenn dessen Ergebnis unsicher ist. Im Gegenzug muss aber die behandelnde Person die Patientin oder den Patienten insbesondere über die Risiken und Vorteile des Eingriffs so aufklären, dass diese oder dieser vor der Verletzung seiner körperlichen Integrität die Einwilligung nach umfassender Aufklärung geben kann (BGE 108 II 59).&nbsp;</p><p>Auf der anderen Seite stehen die unerwünschten und gesundheitsschädigenden Folgen solcher Eingriffe, die letztlich von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung und damit von der Gemeinschaft der Versicherten getragen werden. Und dies, obwohl das ursächliche Risikoverhalten seinen Ursprung in der Beeinflussbarkeit der Klientin oder des Klienten und sehr oft in der Profitgier der behandelnden Person, hat. Solche Eingriffe von der Deckung durch das KVG auszuschliessen, könnte eine Lösung sein. Sie kann aber vernünftigerweise nicht gewählt werden, da die bescheidenen finanziellen Verhältnisse der Personen, die sich diesen Eingriffen unterziehen, dazu führen könnten, dass sie auf notwendige Behandlungen verzichten.</p><p>Die behandelnde Person kann sich heute ihrer Verantwortung entziehen, wenn sie nachweislich die Massnahmen ergriffen hat, die notwendig sind, um ein unerwünschtes Ergebnis zu vermeiden; sie haftet nicht für ein Ergebnis, das nicht dem entspricht, was mit der Klientin oder dem Klienten vereinbart wurde. Diese Situation ist nicht länger tragbar.</p>
    • <div><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Für kosmetische Eingriffe gelten grundsätzlich die gleichen Anforderungen wie bei anderen medizinischen Eingriffen (vgl. hierzu Ip. Wermuth 18.3503). So müssen die vorgängigen Abklärungen und der Eingriff dem anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaften entsprechen. Ärztinnen und Ärzte müssen im Rahmen ihrer Sorgfaltspflicht alles tun, um Fehler zu vermeiden. Ebenso gilt das Prinzip der freien und aufgeklärten Einwilligung. Wer ohne vorgängige Aufklärung und Zustimmung der betroffenen Person einen Eingriff vornimmt, begeht eine rechtswidrige Handlung, haftet für den verursachten Schaden und wird mitunter strafbar - auch wenn der Eingriff nach den Regeln der Kunst durchgeführt wurde. Dabei anerkennen Lehre und Rechtsprechung eine gewisse Sonderstellung der Schönheitschirurgie: Für rein ästhetische Eingriffe gilt eine erhöhte Aufklärungspflicht. Demnach sind die Risiken umfassender zu erläutern, weil der Eingriff medizinisch nicht erforderlich ist.</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Der Bundesrat ist daher weiterhin der Meinung, dass solche Eingriffe genügend geregelt sind und seitens Bund kein Handlungsbedarf besteht. Die Aufsicht über die Ausübung von Medizinalberufen obliegt den Kantonen. </span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial; -aw-import:ignore">&#xa0;</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Im Übrigen wäre eine Regelung im Sinne der Motion aus mehreren Gründen auch nicht sinnvoll. Namentlich sind die Vorgänge im menschlichen Körper komplex und durch den Behandelnden nicht völlig beherrschbar. Nach allgemeiner Auffassung kann daher der Erfolg einer Behandlung grundsätzlich nicht garantiert werden, was auch für kosmetische Eingriffe gilt. Kann eine Leistung nicht als Erfolg versprochen werden, so darf das auch nicht gesetzlich gefordert werden. Daher unterliegen medizinische Eingriffe in aller Regel dem Auftragsrecht. Zudem ist mit Blick auf eine allfällige Haftung festzuhalten: Unabhängig von der Vertragsqualifikation wird für sogenannt positive Vertragsverletzungen (namentlich Schädigungen, die einer behandelten Person bei der Vertragserfüllung zugefügt werden) nur gehaftet bei Verletzung der nach den Regeln der Kunst geschuldeten Sorgfalt.</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial; -aw-import:ignore">&#xa0;</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Schliesslich teilt der Bundesrat die Einschätzung des Motionärs, dass ein krankenversicherungsrechtlicher Ausschluss keine Option darstellt. Der Bundesrat verweist diesbezüglich auf die vom Ständerat abgewiesene Motion Humbel 12.3246. Wie vom Bundesrat und auch im Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerats damals festgehalten, würde dadurch ein unerwünschter Paradigmenwechsel eingeleitet. Für den massgebenden Krankheitsbegriff ist die Ursache der Gesundheitsbeeinträchtigung ohne Bedeutung, sofern die Unfallkausalität ausgeschlossen werden kann (Solidaritätsprinzip). Es wäre sachlich und mit Blick auf den Grundsatz einer rechtsgleichen Behandlung auch nicht begründbar, nur Folgebehandlungen von nicht kassenpflichtigen kosmetischen Eingriffen von der Leistungspflicht auszunehmen.</span></p></div><br><br>Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, einen Gesetzesentwurf vorzulegen, mit dem Eingriffe in den menschlichen Körper ohne präventiven oder therapeutischen Zweck spezifischen Bestimmungen unterstellt werden sollen, die die blosse Mittelverpflichtung im Vertragsrecht korrigieren.</p>
    • Eingriffe in den menschlichen Körper, die nicht präventiven oder therapeutischen Zwecken dienen, einer besonderen Gesetzgebung unterstellen

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