Produktionsprozesse in die Aufgaben der wirtschaftlichen Landesversorgung einführen?

ShortId
24.3652
Id
20243652
Updated
25.09.2024 14:15
Language
de
Title
Produktionsprozesse in die Aufgaben der wirtschaftlichen Landesversorgung einführen?
AdditionalIndexing
09;15;55
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Ende März 2024 hat der Stahlhersteller Stahl Gerlafingen die Schliessung einer seiner beiden Produktionslinien für Profile angekündigt. Die Aufgabe dieser Stahlherstellung ist im Wesentlichen auf die zunehmenden Schwierigkeiten zurückzuführen, Schweizer Stahl in die EU-Länder zu exportieren.</p><p>Das andere Schweizer Stahlwerk, Swiss Steel, steht vor finanziellen Engpässen, die hauptsächlich auf einen starken Anstieg der Kosten für elektrische Energie zurückzuführen sind.</p><p>Die Einstellung einer strategischen industriellen Tätigkeit führt zu schmerzhaften Entlassungen und einem bedauerlichen Verlust von Knowhow. Unsere Beinahe-Vollbeschäftigung und ein ernsthafter Sozialplan sollten die Auswirkungen dieser Entlassungen dämpfen.</p><p>&nbsp;</p><p>Vor allem aber ist diese Produktionsaufgabe ein schwerer Schlag gegen die sogenannte Kreislaufwirtschaft, d. h. gegen die Möglichkeit, den gesamten Schrott für die Stahlproduktion wiederzuverwenden. Grundsätzlicher betrachtet betrifft die Entscheidung von Stahl Gerlafingen ein systemisches Gut für die Wirtschaft und die Gesellschaft. In einer Zeit, in der Naturkatastrophen, intensive geopolitische Konflikte oder Pandemien, die protektionistische Reflexe verstärken, die üblichen Lieferketten stark beeinträchtigen, ist es für ein Land, insbesondere für ein Land, das politisch und militärisch neutral sein will, sehr gefährlich, das Risiko einzugehen, kurzfristig nicht mehr in der Lage zu sein, Stahl zu produzieren.</p><p>&nbsp;</p><p>Vor Kurzem forderte der Bundesrat als Reaktion auf den breiten Widerstand gegen die vorgeschlagenen Anpassungen der Lebensmittelpflichtlager die Vernehmlassungsadressaten auf, bis Ende 2024 gründlich zu überprüfen. welche Massnahmen ergriffen werden müssen, um gegen Krisen gut gewappnet zu sein.&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Dieses Vorgehen ist sinnvoll. Man muss sich aber darüber im Klaren sein, dass es nur die Art und den Umfang der Güter betrifft, die gelagert werden müssen. Bestimmte Produktionsprozesse, die für unser Land in Krisenzeiten lebenswichtig sind, fallen nicht in den Zuständigkeitsbereich der Wirtschaftlichen Landesversorgung. Diese Situation ist fragwürdig.</p>
  • <div><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Zur Frage 1:</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:6pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Die Wirtschaftliche Landesversorgung (WL) erarbeitet Massnahmen zur Sicherstellung der Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen in schweren Mangellagen, wenn die Wirtschaft diese ihr obliegende Funktion nicht mehr selber wahrnehmen kann.</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Das Landesversorgungsgesetz (SR 531) definiert neben anderen auch Roh- und Hilfsstoffe für die Landwirtschaft, die Industrie und das Gewerbe als lebenswichtige Güter. Stahl, so wie er in den schweizerischen Stahlwerken produziert wird, gilt nicht als lebenswichtiges Gut und fällt daher nicht in den Aufgabenbereich der WL. </span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:6pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Wohl spielt Stahl für inländische Industriebetriebe und die Bauindustrie eine Rolle, doch sowohl der europäische als auch der globale Stahlmarkt sind ausreichend resilient. Zudem sind die Lieferketten diversifiziert, und es bestehen zurzeit im globalen Rahmen sogar Überkapazitäten. Nach Ansicht des Bundesrates bedarf es auf diesem Gebiet daher keiner staatlichen Intervention. Bezüglich der Situation von Stahl Gerlafingen verweist der Bundesrat auf seine Stellungnahme zur Motion 24.3159 Roth vom 22. Mai 2024. </span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Zur Frage 2:</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:6pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Die Versorgung des Landes ist in der liberalen Wirtschaftsordnung der Schweiz grundsätzlich eine Aufgabe der Wirtschaft. Aufgrund der in jüngster Vergangenheit vermehrt aufgetretenen Logistikprobleme und vorübergehenden Unterbrüchen in den Lieferketten wurde das Bewusstsein der Unternehmen für Schwachstellen in ihren Beschaffungs- und Fertigungsstrategien geschärft. Zahlreiche Unternehmen haben seither im Rahmen ihrer Verantwortung für die Versorgung und selbstverständlich auch aus unternehmerischem Eigeninteresse wirksame Massnahmen getroffen und ihre Resilienz deutlich gestärkt.</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial; -aw-import:ignore">&#xa0;</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial; -aw-import:ignore">&#xa0;</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial; -aw-import:ignore">&#xa0;</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:6pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Solange also die Wirtschaft aus eigener Kraft in der Lage ist, die eigene und damit auch die Versorgung des Landes sicherzustellen, besteht für den Bund kein Anlass zu einer Intervention. Bei dieser Gelegenheit ruft der Bundesrat in Erinnerung, dass die verfassungsrechtliche Grundlage der wirtschaftlichen Landesversorgung (Art. 102 BV) keine strukturpolitischen Massnahmen zulässt.</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Zudem wurde mit Bundesratsbeschluss vom 15. Dezember 2023 das WBF (BWL) bereits beauftragt, die Notwendigkeit und Umsetzbarkeit zusätzlicher Überwachungsinstrumente im Bereich der nationalen und internationalen Lieferketten kritischer Güter und Dienstleistungen zu überprüfen, und dem Bundesrat bis Ende 2024 Bericht zu erstatten.</span></p></div>
  • <p>Der Bundesrat wird gebeten, folgende Fragen zu beantworten:</p><ol><li>Ist er nicht auch der Ansicht, Stahl stelle ein systemisches Gut für die Wirtschaft, die Gesellschaft und die Verteidigung unseres Landes dar?</li><li>Hält er es für angebracht, lebenswichtige Produktionsprozesse in die Zuständigkeits- und Handlungsfelder der Wirtschaftlichen Landesversorgung zu integrieren?</li></ol>
  • Produktionsprozesse in die Aufgaben der wirtschaftlichen Landesversorgung einführen?
State
Stellungnahme zum Vorstoss liegt vor
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Ende März 2024 hat der Stahlhersteller Stahl Gerlafingen die Schliessung einer seiner beiden Produktionslinien für Profile angekündigt. Die Aufgabe dieser Stahlherstellung ist im Wesentlichen auf die zunehmenden Schwierigkeiten zurückzuführen, Schweizer Stahl in die EU-Länder zu exportieren.</p><p>Das andere Schweizer Stahlwerk, Swiss Steel, steht vor finanziellen Engpässen, die hauptsächlich auf einen starken Anstieg der Kosten für elektrische Energie zurückzuführen sind.</p><p>Die Einstellung einer strategischen industriellen Tätigkeit führt zu schmerzhaften Entlassungen und einem bedauerlichen Verlust von Knowhow. Unsere Beinahe-Vollbeschäftigung und ein ernsthafter Sozialplan sollten die Auswirkungen dieser Entlassungen dämpfen.</p><p>&nbsp;</p><p>Vor allem aber ist diese Produktionsaufgabe ein schwerer Schlag gegen die sogenannte Kreislaufwirtschaft, d. h. gegen die Möglichkeit, den gesamten Schrott für die Stahlproduktion wiederzuverwenden. Grundsätzlicher betrachtet betrifft die Entscheidung von Stahl Gerlafingen ein systemisches Gut für die Wirtschaft und die Gesellschaft. In einer Zeit, in der Naturkatastrophen, intensive geopolitische Konflikte oder Pandemien, die protektionistische Reflexe verstärken, die üblichen Lieferketten stark beeinträchtigen, ist es für ein Land, insbesondere für ein Land, das politisch und militärisch neutral sein will, sehr gefährlich, das Risiko einzugehen, kurzfristig nicht mehr in der Lage zu sein, Stahl zu produzieren.</p><p>&nbsp;</p><p>Vor Kurzem forderte der Bundesrat als Reaktion auf den breiten Widerstand gegen die vorgeschlagenen Anpassungen der Lebensmittelpflichtlager die Vernehmlassungsadressaten auf, bis Ende 2024 gründlich zu überprüfen. welche Massnahmen ergriffen werden müssen, um gegen Krisen gut gewappnet zu sein.&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Dieses Vorgehen ist sinnvoll. Man muss sich aber darüber im Klaren sein, dass es nur die Art und den Umfang der Güter betrifft, die gelagert werden müssen. Bestimmte Produktionsprozesse, die für unser Land in Krisenzeiten lebenswichtig sind, fallen nicht in den Zuständigkeitsbereich der Wirtschaftlichen Landesversorgung. Diese Situation ist fragwürdig.</p>
    • <div><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Zur Frage 1:</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:6pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Die Wirtschaftliche Landesversorgung (WL) erarbeitet Massnahmen zur Sicherstellung der Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen in schweren Mangellagen, wenn die Wirtschaft diese ihr obliegende Funktion nicht mehr selber wahrnehmen kann.</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Das Landesversorgungsgesetz (SR 531) definiert neben anderen auch Roh- und Hilfsstoffe für die Landwirtschaft, die Industrie und das Gewerbe als lebenswichtige Güter. Stahl, so wie er in den schweizerischen Stahlwerken produziert wird, gilt nicht als lebenswichtiges Gut und fällt daher nicht in den Aufgabenbereich der WL. </span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:6pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Wohl spielt Stahl für inländische Industriebetriebe und die Bauindustrie eine Rolle, doch sowohl der europäische als auch der globale Stahlmarkt sind ausreichend resilient. Zudem sind die Lieferketten diversifiziert, und es bestehen zurzeit im globalen Rahmen sogar Überkapazitäten. Nach Ansicht des Bundesrates bedarf es auf diesem Gebiet daher keiner staatlichen Intervention. Bezüglich der Situation von Stahl Gerlafingen verweist der Bundesrat auf seine Stellungnahme zur Motion 24.3159 Roth vom 22. Mai 2024. </span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Zur Frage 2:</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:6pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Die Versorgung des Landes ist in der liberalen Wirtschaftsordnung der Schweiz grundsätzlich eine Aufgabe der Wirtschaft. Aufgrund der in jüngster Vergangenheit vermehrt aufgetretenen Logistikprobleme und vorübergehenden Unterbrüchen in den Lieferketten wurde das Bewusstsein der Unternehmen für Schwachstellen in ihren Beschaffungs- und Fertigungsstrategien geschärft. Zahlreiche Unternehmen haben seither im Rahmen ihrer Verantwortung für die Versorgung und selbstverständlich auch aus unternehmerischem Eigeninteresse wirksame Massnahmen getroffen und ihre Resilienz deutlich gestärkt.</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial; -aw-import:ignore">&#xa0;</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial; -aw-import:ignore">&#xa0;</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial; -aw-import:ignore">&#xa0;</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:6pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Solange also die Wirtschaft aus eigener Kraft in der Lage ist, die eigene und damit auch die Versorgung des Landes sicherzustellen, besteht für den Bund kein Anlass zu einer Intervention. Bei dieser Gelegenheit ruft der Bundesrat in Erinnerung, dass die verfassungsrechtliche Grundlage der wirtschaftlichen Landesversorgung (Art. 102 BV) keine strukturpolitischen Massnahmen zulässt.</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Zudem wurde mit Bundesratsbeschluss vom 15. Dezember 2023 das WBF (BWL) bereits beauftragt, die Notwendigkeit und Umsetzbarkeit zusätzlicher Überwachungsinstrumente im Bereich der nationalen und internationalen Lieferketten kritischer Güter und Dienstleistungen zu überprüfen, und dem Bundesrat bis Ende 2024 Bericht zu erstatten.</span></p></div>
    • <p>Der Bundesrat wird gebeten, folgende Fragen zu beantworten:</p><ol><li>Ist er nicht auch der Ansicht, Stahl stelle ein systemisches Gut für die Wirtschaft, die Gesellschaft und die Verteidigung unseres Landes dar?</li><li>Hält er es für angebracht, lebenswichtige Produktionsprozesse in die Zuständigkeits- und Handlungsfelder der Wirtschaftlichen Landesversorgung zu integrieren?</li></ol>
    • Produktionsprozesse in die Aufgaben der wirtschaftlichen Landesversorgung einführen?

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