Systematische Verletzungen des Konsumkreditgesetzes. Was unternimmt der Bundesrat?

ShortId
24.3665
Id
20243665
Updated
27.09.2024 13:49
Language
de
Title
Systematische Verletzungen des Konsumkreditgesetzes. Was unternimmt der Bundesrat?
AdditionalIndexing
15;24
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <div><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">1. Der Bundesrat stellt eine Zunahme beim Gesamtbetrag der bestehenden Konsumkredite während der letzten zehn Jahre fest. Dazu muss jedoch gesagt werden, dass in derselben Zeit die Zahl der Kredite abgenommen hat (Jahresberichte ZEK 2012 und 2022). Ohne dass dies etwas über die Überschuldungsquote aussagt, wird darauf hingewiesen, dass der Anteil der Personen mit nur einem laufenden Kreditvertrag stabil geblieben ist (2012: 81,7</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">%; 2022: 82</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">%). Der Verein «Konsumfinanzierung Schweiz» hat bis 2020 eine Statistik zu den Betreibungen und den Fortsetzungsbegehren geführt, die mit den Konsumkrediten und dem Leasing von Konsumgütern zusammenhängen. Diese Zahlen sind tief und stabil und zeigen, dass der Mechanismus des Konsumkreditgesetzes (KKG; SR</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">221.214.1) hinsichtlich der Kreditfähigkeitsprüfung wirksam ist. Der Bundesrat verweist hinsichtlich dieser Statistiken zudem auf seine Antwort auf die Interpellation Hêche 18.3546. </span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">2. Der Bundesrat hat am 3.</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">Juni 2022 eine Vorlage zur Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG; SR</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">281.1) in die Vernehmlassung geschickt, welche neue Sanierungsmöglichkeiten für verschuldete natürliche Personen eröffnet. Die dazugehörige Botschaft dürfte noch 2024 verabschiedet werden. Artikel</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">36a des am 1. Januar 2016 in Kraft getretenen KKG sieht zudem vor, dass für Konsumkredite nicht in aggressiver Weise geworben werden darf. Von einigen allgemeinen Vorschlägen abgesehen (siehe Ziff.</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">4 unten), sieht der Bundesrat – wie in den Stellungnahmen zu den Motionen Roduit 21.3142 und Marti 20.4636 dargelegt – keinen Grund, neue spezifische Bundesnormen zu schaffen.</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">3. Auch wenn die Aufsicht der FINMA in erster Linie prudentiell ist, greift die FINMA bei systematischen Rechtsverletzungen durch beaufsichtigte Institute ein, um die rechtskonforme Ordnung wiederherzustellen. Dies wäre auch der Fall, wenn die FINMA systematische Verletzungen des KKG durch eine von ihr beaufsichtigte Bank feststellen würde. Die FINMA ist jedoch nicht für die Feststellung oder Durchsetzung der Zivilansprüche gemäss dem KKG aus individuellen Krediten und der zugehörigen Verträge und Kreditfähigkeitsprüfungen zuständig. Was die Transparenz der Aufsicht angeht, informiert die FINMA gemäss Artikel</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">22 Absatz</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">2 des Bundesgesetzes über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMAG; SR</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">956.1) nicht über einzelne Verfahren bzw. nur in eingeschränkten Einzelfällen, wenn ein besonderes aufsichtsrechtliches Bedürfnis besteht.</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">4. Die Antwort des Bundesrates auf die Interpellation Mazzone 18.3469 beschreibt das Aufsichtssystem im Bereich des KKG. Daneben erfasst die ZEK die Bonitätsanfragen sowie die neuen abgelehnten Kreditbegehren. Aus dem letzten Jahresbericht der ZEK geht hervor, dass die Ablehnungsquote 2023 mit 30,8</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">Prozent leicht über der durchschnittlichen Quote der letzten zehn Jahre lag (30,5</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">%). Das zeigt, dass die präventive Wirkung der strengen Kreditfähigkeitsprüfung nicht an Bedeutung verloren hat.</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">Ebenso sieht das KKG strenge Sanktionen vor: Verstösst ein Kreditgeber in schwerwiegender Weise gegen die Bestimmungen des Gesetzes, so kann er die von ihm gewährte Kreditsumme samt Zinsen und Kosten verlieren (Art. 32 KKG). Für die Durchsetzung dieser Sanktion haben die Konsumentinnen und Konsumenten die Zivilgerichte anzurufen.</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Im Übrigen sieht der Bundesrat in seinem Bericht zur Bankenstabilität vom 10.</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">April 2024 mehrere Massnahmen vor, die insbesondere die Corporate Governance sowie die Aufsichtsinstrumente der FINMA betreffen (siehe Ziffer 3). </span></p></div>
  • <p>Bereits im Rahmen der Interpellation 18.3469 bestätigte der Bundesrat, dass&nbsp;systematische Verletzungen des Konsumkreditgesetzes von der Finanzmarktaufsicht geahndet werden müssen, sah damals aber keinen Handlungsbedarf.&nbsp; Inzwischen häufen sich Berichte und Indizien, dass das Konsumkreditgesetz systematisch nicht eingehalten wird. Beispielsweise hielt das Bundesgericht 2023 im Rahmen des Strafverfahrens zu den Tamil Tigers fest, die Credit Suisse-Tochter Bank-now hätte ihre Sorgfaltspflichten aus dem Konsumkreditgesetz derart verletzt, dass ein Betrug aufgrund von Opfermitverantwortung ausgeschlossen wäre. Schon 2017 zeigte Caritas Schweiz anhand hunderter Barkredite von zwei marktführenden Banken, dass die Vergabe eines grossen Teils der Kredite das Konsumkreditgesetz verletzte, wobei die Kredite nicht in diesem Umfang hätten vergeben werden dürfe. Zuletzt kam 2024 eine interne Untersuchung der Bank-now AG zum gleichen Schluss. KonsumentInnen, die von den gesetzeswidrigen Kreditvergaben betroffen sind, wurden bisher jedoch nicht – öffentlich – informiert. Die strengen zivilrechtlichen Sanktionen des Konsumkreditgesetzes, die ursprünglich für die Wahrnehmung aufsichtsrechlicher Zwecke verabschiedet wurden, verfangen also nicht. Die Überschuldung durch Barkredite ist in den letzten fünf Jahren hingegen um 1,1 Milliarden Franken auf insgesamt 8.5 Milliarden Franken sehr stark angestiegen (Jahresbericht ZEK 2023). Es braucht deshalb dringend Massnahmen zur besseren Einhaltung des Konsumkreditgesetzes, also zur gezielteren Aufsicht über die in diesem Bereich tätigen Banken. In diesem Zusammenhang bitte ich den Bundesrat um die Beantwortung folgender Fragen:</p><ol><li>Sieht der Bundesrat trotz der verschiedenen Fälle weiterhin keinen aktuellen Handlungsbedarf?</li><li>Wie beabsichtigt der Bundesrat, die Situation zu korrigieren?</li><li>Da in diesem Bereich keine Regularien (Verordnungen, Rundschreiben) bestehen, ist nicht einsehbar, wie die FINMA in diesem Bereich die allgemeine Aufsicht ausübt. Wie stellt die FINMA konkret sicher, dass die Banken im Bereich der Konsumkredite ihre Risiken identifizieren und verwalten?</li><li>Wie stellt der Bundesrat sicher, dass KonsumentInnen, wie vom Gesetz vorgesehen, vor Überschuldung direkt geschützt und über die Verletzungen informiert werden?</li></ol>
  • Systematische Verletzungen des Konsumkreditgesetzes. Was unternimmt der Bundesrat?
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <div><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">1. Der Bundesrat stellt eine Zunahme beim Gesamtbetrag der bestehenden Konsumkredite während der letzten zehn Jahre fest. Dazu muss jedoch gesagt werden, dass in derselben Zeit die Zahl der Kredite abgenommen hat (Jahresberichte ZEK 2012 und 2022). Ohne dass dies etwas über die Überschuldungsquote aussagt, wird darauf hingewiesen, dass der Anteil der Personen mit nur einem laufenden Kreditvertrag stabil geblieben ist (2012: 81,7</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">%; 2022: 82</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">%). Der Verein «Konsumfinanzierung Schweiz» hat bis 2020 eine Statistik zu den Betreibungen und den Fortsetzungsbegehren geführt, die mit den Konsumkrediten und dem Leasing von Konsumgütern zusammenhängen. Diese Zahlen sind tief und stabil und zeigen, dass der Mechanismus des Konsumkreditgesetzes (KKG; SR</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">221.214.1) hinsichtlich der Kreditfähigkeitsprüfung wirksam ist. Der Bundesrat verweist hinsichtlich dieser Statistiken zudem auf seine Antwort auf die Interpellation Hêche 18.3546. </span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">2. Der Bundesrat hat am 3.</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">Juni 2022 eine Vorlage zur Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG; SR</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">281.1) in die Vernehmlassung geschickt, welche neue Sanierungsmöglichkeiten für verschuldete natürliche Personen eröffnet. Die dazugehörige Botschaft dürfte noch 2024 verabschiedet werden. Artikel</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">36a des am 1. Januar 2016 in Kraft getretenen KKG sieht zudem vor, dass für Konsumkredite nicht in aggressiver Weise geworben werden darf. Von einigen allgemeinen Vorschlägen abgesehen (siehe Ziff.</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">4 unten), sieht der Bundesrat – wie in den Stellungnahmen zu den Motionen Roduit 21.3142 und Marti 20.4636 dargelegt – keinen Grund, neue spezifische Bundesnormen zu schaffen.</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">3. Auch wenn die Aufsicht der FINMA in erster Linie prudentiell ist, greift die FINMA bei systematischen Rechtsverletzungen durch beaufsichtigte Institute ein, um die rechtskonforme Ordnung wiederherzustellen. Dies wäre auch der Fall, wenn die FINMA systematische Verletzungen des KKG durch eine von ihr beaufsichtigte Bank feststellen würde. Die FINMA ist jedoch nicht für die Feststellung oder Durchsetzung der Zivilansprüche gemäss dem KKG aus individuellen Krediten und der zugehörigen Verträge und Kreditfähigkeitsprüfungen zuständig. Was die Transparenz der Aufsicht angeht, informiert die FINMA gemäss Artikel</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">22 Absatz</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">2 des Bundesgesetzes über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMAG; SR</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">956.1) nicht über einzelne Verfahren bzw. nur in eingeschränkten Einzelfällen, wenn ein besonderes aufsichtsrechtliches Bedürfnis besteht.</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">4. Die Antwort des Bundesrates auf die Interpellation Mazzone 18.3469 beschreibt das Aufsichtssystem im Bereich des KKG. Daneben erfasst die ZEK die Bonitätsanfragen sowie die neuen abgelehnten Kreditbegehren. Aus dem letzten Jahresbericht der ZEK geht hervor, dass die Ablehnungsquote 2023 mit 30,8</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">Prozent leicht über der durchschnittlichen Quote der letzten zehn Jahre lag (30,5</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">%). Das zeigt, dass die präventive Wirkung der strengen Kreditfähigkeitsprüfung nicht an Bedeutung verloren hat.</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">Ebenso sieht das KKG strenge Sanktionen vor: Verstösst ein Kreditgeber in schwerwiegender Weise gegen die Bestimmungen des Gesetzes, so kann er die von ihm gewährte Kreditsumme samt Zinsen und Kosten verlieren (Art. 32 KKG). Für die Durchsetzung dieser Sanktion haben die Konsumentinnen und Konsumenten die Zivilgerichte anzurufen.</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">Im Übrigen sieht der Bundesrat in seinem Bericht zur Bankenstabilität vom 10.</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">April 2024 mehrere Massnahmen vor, die insbesondere die Corporate Governance sowie die Aufsichtsinstrumente der FINMA betreffen (siehe Ziffer 3). </span></p></div>
    • <p>Bereits im Rahmen der Interpellation 18.3469 bestätigte der Bundesrat, dass&nbsp;systematische Verletzungen des Konsumkreditgesetzes von der Finanzmarktaufsicht geahndet werden müssen, sah damals aber keinen Handlungsbedarf.&nbsp; Inzwischen häufen sich Berichte und Indizien, dass das Konsumkreditgesetz systematisch nicht eingehalten wird. Beispielsweise hielt das Bundesgericht 2023 im Rahmen des Strafverfahrens zu den Tamil Tigers fest, die Credit Suisse-Tochter Bank-now hätte ihre Sorgfaltspflichten aus dem Konsumkreditgesetz derart verletzt, dass ein Betrug aufgrund von Opfermitverantwortung ausgeschlossen wäre. Schon 2017 zeigte Caritas Schweiz anhand hunderter Barkredite von zwei marktführenden Banken, dass die Vergabe eines grossen Teils der Kredite das Konsumkreditgesetz verletzte, wobei die Kredite nicht in diesem Umfang hätten vergeben werden dürfe. Zuletzt kam 2024 eine interne Untersuchung der Bank-now AG zum gleichen Schluss. KonsumentInnen, die von den gesetzeswidrigen Kreditvergaben betroffen sind, wurden bisher jedoch nicht – öffentlich – informiert. Die strengen zivilrechtlichen Sanktionen des Konsumkreditgesetzes, die ursprünglich für die Wahrnehmung aufsichtsrechlicher Zwecke verabschiedet wurden, verfangen also nicht. Die Überschuldung durch Barkredite ist in den letzten fünf Jahren hingegen um 1,1 Milliarden Franken auf insgesamt 8.5 Milliarden Franken sehr stark angestiegen (Jahresbericht ZEK 2023). Es braucht deshalb dringend Massnahmen zur besseren Einhaltung des Konsumkreditgesetzes, also zur gezielteren Aufsicht über die in diesem Bereich tätigen Banken. In diesem Zusammenhang bitte ich den Bundesrat um die Beantwortung folgender Fragen:</p><ol><li>Sieht der Bundesrat trotz der verschiedenen Fälle weiterhin keinen aktuellen Handlungsbedarf?</li><li>Wie beabsichtigt der Bundesrat, die Situation zu korrigieren?</li><li>Da in diesem Bereich keine Regularien (Verordnungen, Rundschreiben) bestehen, ist nicht einsehbar, wie die FINMA in diesem Bereich die allgemeine Aufsicht ausübt. Wie stellt die FINMA konkret sicher, dass die Banken im Bereich der Konsumkredite ihre Risiken identifizieren und verwalten?</li><li>Wie stellt der Bundesrat sicher, dass KonsumentInnen, wie vom Gesetz vorgesehen, vor Überschuldung direkt geschützt und über die Verletzungen informiert werden?</li></ol>
    • Systematische Verletzungen des Konsumkreditgesetzes. Was unternimmt der Bundesrat?

Back to List