Bringt Big Tech das Abgabe- und Steuersystem an die Grenzen?

ShortId
24.3753
Id
20243753
Updated
27.09.2024 15:04
Language
de
Title
Bringt Big Tech das Abgabe- und Steuersystem an die Grenzen?
AdditionalIndexing
15;34;2446;2836
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <div><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">1. Die Einnahmen der Sozialversicherungen betrugen 2021 rund 208 Mrd. Franken (Schweizerische Sozialversicherungsstatistik). Die Sozialwerke werden grösstenteils über Lohnbeiträge, einen zweckgebundenen Teil der Mehrwertsteuer und über Beiträge der öffentlichen Hand finanziert. Der Anteil der Lohnbeiträge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge) an den Gesamteinnahmen der Sozialversicherungen lag 2021 bei rund 72</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">%. Auch die Finanzierungsanteile über die Mehrwertsteuer werden teilweise von Lohnempfängerinnen und -empfängern getragen. Schliesslich werden auch die Steuereinnahmen zur Finanzierung des Beitrags der öffentlichen Hand an die Sozialversicherungen letztlich aus der volkwirtschaftlichen Wertschöpfung und damit teilweise durch das Lohneinkommen finanziert.</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">2. Der Bund finanziert sich aus verschiedenen steuerlichen und teilweise nicht-steuerlichen Einnahmequellen. Die Gesamteinnahmen des Bundes von rund 80 Milliarden Franken im Jahr 2023 verteilten sich gemäss Staatsrechnung auf die Mehrwertsteuer (32 %), die Gewinnsteuern juristischer Personen (18 %), die Einkommenssteuern natürlicher Personen (17 %) und auf weitere steuerliche und nicht-steuerliche Einnahmequellen. Die Bundessteuerstatistik enthält hingegen keine Angaben dazu, welche Einkommensanteile der natürlichen Personen auf Erwerbs-, Vermögens- oder Renteneinkommen fallen. Auch die anderen Einnahmen werden letztlich aus der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung finanziert (vgl. Ziff. 1). Aus diesen Gründen kann der Bundesrat keine Angaben dazu machen, welcher Anteil des Bundeshaushalts letztlich von Lohneinkommen finanziert wird. Dasselbe gilt für die kantonalen Haushalte.</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">3. Die Säule 1 des OECD/G20-Projekts sieht für die grössten und profitabelsten Unternehmensgruppen vor, dass sie gestützt auf ein neu zu schaffendes Besteuerungsrecht künftig einen Teil ihres Gewinns in denjenigen Staaten versteuern, wo sich die Konsumentinnen und Konsumenten (Marktstaaten) befinden. Die neuen Regeln betreffen auch grosse internationale Digitalunternehmen. Zur Umsetzung der Säule 1 braucht es ein multilaterales Abkommen, das für ein Inkrafttreten in der Schweiz eine parlamentarische Genehmigung und eine Umsetzung im nationalen Recht benötigen würde. Mit der Zustimmung von Volk und Ständen am 18. Juni 2023</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">verfügt die Schweiz über die notwendige Verfassungsgrundlage. Der Bundesrat wartet die Verabschiedung des Textes des multilateralen Abkommens ab und wird anschliessend über das weitere Vorgehen entscheiden.</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">4. Der Bundesrat hat sich in seiner Stellungnahme vom 16. Februar 2022 zur Motion Funiciello (21.4472) ablehnend zum Vorschlag geäussert, Dividenden generell der Sozialversicherungsbeitragspflicht zu unterstellen. Er begründete seine Position unter anderem mit dem Zweck von Sozialversicherungen, den Wegfall des Erwerbseinkommens bei Eintritt eines Risikos (z.B. Alter, Arbeitslosigkeit) teilweise zu ersetzen. Dividenden fliessen hingegen unabhängig von Rentenalter oder Arbeitslosigkeit.</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">Aus diesem Grund würde eine Umsetzung des Anliegens nicht nur die Standortattraktivität der Schweiz erheblich mindern, sondern sie wäre auch nicht sachgerecht. Hingegen wird der Bundesrat in seinem Bericht zum Postulat Herzog (22.4450) Vorschläge prüfen zur Problematik, dass bei personenbezogenen juristischen Personen ein Anreiz besteht, Erwerbseinkommen zu Lasten des AHV-Beitragssubstrats</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">durch Dividenden zu ersetzen. Eine Senkung der Sozialabgaben auf Löhne ist angesichts der Finanzperspektiven der AHV aktuell nicht geplant.</span></p></div>
  • <p><span style="color:#000000;">Die Dynamik digitaler Märkte hat innerhalb weniger Jahren zu einer massiven Transformation und Kumulation ökonomischen Potentials – Umsatz, Gewinn, Marktwert – einer “bevölkerten” hin zu einer stark “entvölkerten” Wirtschaft geführt. Die “The Winner Takes It All” Logik hat dazu geführt, dass wenige Firmen eine wohl noch nie dagewesene globale Wirtschaftskonzentration etablieren konnten. Alleine die derzeit 5 grössten US Tech-Konzerne zusammen – Apple, Microsoft, Nvidia, Alphabet, Amazon – vereinen einen Unternehmenswert in der Höhe der Hälfte des BIP der USA. Microsoft verfügt über eine Bewertung in der Höhe des BIP von Frankreich. Die Zahlen sind auch eindrücklich, wenn sie in Relation zu den Beschäftigen gestellt werden. So realisieren bspw. pro Arbeitsstelle Alpha (Google) rund 1.5 Mio. $ Umsatz, Meta (Facebook) über 0.5 Mio. $ Gewinn oder Apple über 20 Mio. $ Marktwert. Keine andere Branche hat je solche Dimensionen erreicht. Zum Vergleich: 3/4 der CH Unternehmen realisieren weniger als 500’000 CHF Umsatz. Abgesehen von der besorgniserregenden Marktmacht, welche die EU mit den Digital Markets Act angeht, drängt sich ein zusätzlicher Befund auf: Steuer- und Abgabesysteme sind überwiegend auf den Einkommen der arbeitenden Bevölkerung aufgebaut. So werden in der Schweiz die Sozialleistungen wesentlich über Abgaben auf Löhnen finanziert, welche ebenfalls&nbsp;wesentlicher Teil des Steuersubstrats sind. Wandert Umsatz- und Gewinnpotential in Märkte ab die mit wenig Personal auskommen, kommt dieses System an seine Grenzen. Mehrwert durch menschliche Arbeit wird durch diese Last, mit welchen Algorithmen und Roboter nicht verteuert werden, immer stärker benachteiligt. "Digitaler Mehrwert" wandert so ohne ausreichende Besteuerung an das Aktionariat, welches überdies beinahe ausschliesslich im Ausland domiziliert ist.</span></p><p><span style="color:#000000;">Ich möchte vom Bundesrat wissen:</span></p><ul><li><span style="color:#000000;">Wie hoch der Anteil der Sozialleistungen ist, welcher direkt oder indirekt über die Löhne finanziert wird.</span></li><li><span style="color:#000000;">Wie stark der Haushalt des Bundes und der Kantone von der Besteuerung von Lohnerwerbseinkommen abhängig ist.</span></li><li><span style="color:#000000;">Welche Möglichkeiten er sieht, diese Thematik im Zusammenhang mit der OECD Pillar 1 Unternehmensbesteuerung zu adressieren.</span></li><li><span style="color:#000000;">Ob er bereit ist, eine vertiefte Analyse des Sachverhalts und mögliche Massnahmen - bspw. Senkung von Sozialabgaben auf Löhnen und Einführung von Sozialabgaben auf Dividenden - zu erarbeiten.</span></li></ul>
  • Bringt Big Tech das Abgabe- und Steuersystem an die Grenzen?
State
Stellungnahme zum Vorstoss liegt vor
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <div><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">1. Die Einnahmen der Sozialversicherungen betrugen 2021 rund 208 Mrd. Franken (Schweizerische Sozialversicherungsstatistik). Die Sozialwerke werden grösstenteils über Lohnbeiträge, einen zweckgebundenen Teil der Mehrwertsteuer und über Beiträge der öffentlichen Hand finanziert. Der Anteil der Lohnbeiträge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge) an den Gesamteinnahmen der Sozialversicherungen lag 2021 bei rund 72</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">%. Auch die Finanzierungsanteile über die Mehrwertsteuer werden teilweise von Lohnempfängerinnen und -empfängern getragen. Schliesslich werden auch die Steuereinnahmen zur Finanzierung des Beitrags der öffentlichen Hand an die Sozialversicherungen letztlich aus der volkwirtschaftlichen Wertschöpfung und damit teilweise durch das Lohneinkommen finanziert.</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">2. Der Bund finanziert sich aus verschiedenen steuerlichen und teilweise nicht-steuerlichen Einnahmequellen. Die Gesamteinnahmen des Bundes von rund 80 Milliarden Franken im Jahr 2023 verteilten sich gemäss Staatsrechnung auf die Mehrwertsteuer (32 %), die Gewinnsteuern juristischer Personen (18 %), die Einkommenssteuern natürlicher Personen (17 %) und auf weitere steuerliche und nicht-steuerliche Einnahmequellen. Die Bundessteuerstatistik enthält hingegen keine Angaben dazu, welche Einkommensanteile der natürlichen Personen auf Erwerbs-, Vermögens- oder Renteneinkommen fallen. Auch die anderen Einnahmen werden letztlich aus der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung finanziert (vgl. Ziff. 1). Aus diesen Gründen kann der Bundesrat keine Angaben dazu machen, welcher Anteil des Bundeshaushalts letztlich von Lohneinkommen finanziert wird. Dasselbe gilt für die kantonalen Haushalte.</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">3. Die Säule 1 des OECD/G20-Projekts sieht für die grössten und profitabelsten Unternehmensgruppen vor, dass sie gestützt auf ein neu zu schaffendes Besteuerungsrecht künftig einen Teil ihres Gewinns in denjenigen Staaten versteuern, wo sich die Konsumentinnen und Konsumenten (Marktstaaten) befinden. Die neuen Regeln betreffen auch grosse internationale Digitalunternehmen. Zur Umsetzung der Säule 1 braucht es ein multilaterales Abkommen, das für ein Inkrafttreten in der Schweiz eine parlamentarische Genehmigung und eine Umsetzung im nationalen Recht benötigen würde. Mit der Zustimmung von Volk und Ständen am 18. Juni 2023</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">verfügt die Schweiz über die notwendige Verfassungsgrundlage. Der Bundesrat wartet die Verabschiedung des Textes des multilateralen Abkommens ab und wird anschliessend über das weitere Vorgehen entscheiden.</span></p><p style="margin-top:0pt; margin-bottom:0pt; line-height:150%; widows:0; orphans:0; font-size:11pt"><span style="font-family:Arial">4. Der Bundesrat hat sich in seiner Stellungnahme vom 16. Februar 2022 zur Motion Funiciello (21.4472) ablehnend zum Vorschlag geäussert, Dividenden generell der Sozialversicherungsbeitragspflicht zu unterstellen. Er begründete seine Position unter anderem mit dem Zweck von Sozialversicherungen, den Wegfall des Erwerbseinkommens bei Eintritt eines Risikos (z.B. Alter, Arbeitslosigkeit) teilweise zu ersetzen. Dividenden fliessen hingegen unabhängig von Rentenalter oder Arbeitslosigkeit.</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">Aus diesem Grund würde eine Umsetzung des Anliegens nicht nur die Standortattraktivität der Schweiz erheblich mindern, sondern sie wäre auch nicht sachgerecht. Hingegen wird der Bundesrat in seinem Bericht zum Postulat Herzog (22.4450) Vorschläge prüfen zur Problematik, dass bei personenbezogenen juristischen Personen ein Anreiz besteht, Erwerbseinkommen zu Lasten des AHV-Beitragssubstrats</span><span style="font-family:Arial">&#xa0;</span><span style="font-family:Arial">durch Dividenden zu ersetzen. Eine Senkung der Sozialabgaben auf Löhne ist angesichts der Finanzperspektiven der AHV aktuell nicht geplant.</span></p></div>
    • <p><span style="color:#000000;">Die Dynamik digitaler Märkte hat innerhalb weniger Jahren zu einer massiven Transformation und Kumulation ökonomischen Potentials – Umsatz, Gewinn, Marktwert – einer “bevölkerten” hin zu einer stark “entvölkerten” Wirtschaft geführt. Die “The Winner Takes It All” Logik hat dazu geführt, dass wenige Firmen eine wohl noch nie dagewesene globale Wirtschaftskonzentration etablieren konnten. Alleine die derzeit 5 grössten US Tech-Konzerne zusammen – Apple, Microsoft, Nvidia, Alphabet, Amazon – vereinen einen Unternehmenswert in der Höhe der Hälfte des BIP der USA. Microsoft verfügt über eine Bewertung in der Höhe des BIP von Frankreich. Die Zahlen sind auch eindrücklich, wenn sie in Relation zu den Beschäftigen gestellt werden. So realisieren bspw. pro Arbeitsstelle Alpha (Google) rund 1.5 Mio. $ Umsatz, Meta (Facebook) über 0.5 Mio. $ Gewinn oder Apple über 20 Mio. $ Marktwert. Keine andere Branche hat je solche Dimensionen erreicht. Zum Vergleich: 3/4 der CH Unternehmen realisieren weniger als 500’000 CHF Umsatz. Abgesehen von der besorgniserregenden Marktmacht, welche die EU mit den Digital Markets Act angeht, drängt sich ein zusätzlicher Befund auf: Steuer- und Abgabesysteme sind überwiegend auf den Einkommen der arbeitenden Bevölkerung aufgebaut. So werden in der Schweiz die Sozialleistungen wesentlich über Abgaben auf Löhnen finanziert, welche ebenfalls&nbsp;wesentlicher Teil des Steuersubstrats sind. Wandert Umsatz- und Gewinnpotential in Märkte ab die mit wenig Personal auskommen, kommt dieses System an seine Grenzen. Mehrwert durch menschliche Arbeit wird durch diese Last, mit welchen Algorithmen und Roboter nicht verteuert werden, immer stärker benachteiligt. "Digitaler Mehrwert" wandert so ohne ausreichende Besteuerung an das Aktionariat, welches überdies beinahe ausschliesslich im Ausland domiziliert ist.</span></p><p><span style="color:#000000;">Ich möchte vom Bundesrat wissen:</span></p><ul><li><span style="color:#000000;">Wie hoch der Anteil der Sozialleistungen ist, welcher direkt oder indirekt über die Löhne finanziert wird.</span></li><li><span style="color:#000000;">Wie stark der Haushalt des Bundes und der Kantone von der Besteuerung von Lohnerwerbseinkommen abhängig ist.</span></li><li><span style="color:#000000;">Welche Möglichkeiten er sieht, diese Thematik im Zusammenhang mit der OECD Pillar 1 Unternehmensbesteuerung zu adressieren.</span></li><li><span style="color:#000000;">Ob er bereit ist, eine vertiefte Analyse des Sachverhalts und mögliche Massnahmen - bspw. Senkung von Sozialabgaben auf Löhnen und Einführung von Sozialabgaben auf Dividenden - zu erarbeiten.</span></li></ul>
    • Bringt Big Tech das Abgabe- und Steuersystem an die Grenzen?

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